Steve McQueen: Bass.
Schaulager der Laurenz-Stiftung, Ruchfeldstr. 19, Basel-Münchenstein.
Donnerstag 12.00 bis 18.00 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 14. Dezember 2025.
www.schaulager.org
Zur Ausstellung ist eine Publikation erschienen: Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2025, 200 S., 54 Euro | ca. 69.90 Franken.
Auf den wenigen Fenster, die Tageslicht ins Schaulager Basel lassen, klebt zurzeit Spiegelfolie. Mit der Folge, dass die Konturen der Welt da draußen von innen nur noch vage zu erkennen sind, unwirklich wie die Nachbilder eines Traumes kurz nach dem Aufwachen. Fällt die Tür hinter einem ins Schloss, werden auch diese geschluckt vom intensiven monochromen Licht, das aus mehr als tausend LED-Röhren an den Decken der fünf Stockwerke in die gefühlt himmelhohe Ausstellungshalle fällt. Der Farbwechsel von Rot zu Violett, von Blau zu Grün zu Gelb geschieht so langsam, dass eine halbe Stunde vergeht, bis die Lichtstimmung wiederkehrt, die einen zuerst empfing. Dass bis dahin nichts mehr so ist, wie es beim Betreten des Saales war, liegt vor allem am Sound, der das sinnliche Fundament von Steve McQueens spektakulärer Installation „Bass“ bildet. Der britische Künstler (*1969) lud dafür fünf Schwarze Bassistinnen und Bassisten aus den USA, Mali und Jamaika für zwei Tage zum gemeinsamen Improvisieren in die Dia Beacon Foundation in New York ein, wo „Bass“ im Mai 2024 zuerst zu sehen und zu hören war. Zusammen mit dem Jazz-Bassisten Marcus Miller schnitt McQueen aus dem aufgezeichneten Material einen gut dreistündigen, in Tempo und Lautstärke deutlich gedrosselten Soundtrack aus Bassläufen und -rhythmen, Klangtexturen und Drone-Effekten zusammen. In Basel sucht sich dieser seinen Weg jetzt aus meterhohen Lautsprechertürmen in das Material der Architektur und in die Körper der Menschen. Die Bässe lassen Wände zittern und Muskeln und Gedärme vibrieren, begleitet von den Geräuschen der Körper, die sie erzeugen, vom satten Anschlag des Daumens, der leichten Bewegung des Streichbogens aus dem Handgelenk, dem Geräusch von Fingerrillen auf stahlumwickelten Saiten.
„Bass“ ist die bislang wohl abstrakteste Arbeit von Steve McQueen, zumindest gemessen an der Bildgewalt seiner Filme „Hunger“, „Shame“, „12 Years A Slave“ und der TV-Serie „Small Axe“. Zugleich aber war seine Kunst noch nie so körperlich, ihre Perspektive selten so universell. Die Installation versuche alles mit einzubeziehen und alles einzufangen, was in den Köpfen und den Körpern der Menschen sei, sagte McQueen in einem Interview zur Eröffnung der Schau: „Hier gibt es kein Bild außer dein eigenes“.
Und doch kreiert „Bass“ – anders als viele immersive Arbeiten der Gegenwart – keine ästhetische Sonderzone, in die die Menschen eintauchen können, um für kurze Zeit den Rest der Welt zu vergessen. Im Gegenteil: Steve McQueen lässt den Bass hier mit radikaler Langmut als Sound einer kollektiven Erfahrung der Entwurzelung in den Magengruben der Besuchenden rumoren. Mit gutem Grund. Der Kapitalismus, wie er heute weltweit nahezu sämtliche gesellschaftlichen, politischen und ökologischen Beziehungen und Herrschaftsverhältnisse prägt, hatte einen seiner zentralen Ursprünge in der Verschleppung und Versklavung afrikanischer Menschen und im transatlantischen Dreieckshandel. Davon erzählen Blues, Jazz und die bassfundierten Pop-Musiken wie Reggae, HipHop oder Soul. Und davon erzählt auch Steve McQueen. „Die gesamte Schwarze Musik wurzelt in Schmerz“, sagt er. Ihre Bassinstrumente ermöglichen die Artikulation von Gefühlen, für die es keine Worte gibt. Ihr Sound sorgt für Stabilität, stiftet Gemeinschaft, öffnet Räume für immer neue Formen des Erzählens und Erinnerns abseits von Sprache. „Es gibt eine Gemeinsamkeit im Bass, in der Vibration, dem Nachhall, dem Ton. Es scheint wie ein Ruf, ein Zusammenspiel, eine Form der Kommunikation zwischen über die Welt verstreuten Menschen. Für mich war es eine Möglichkeit, eine Diaspora wieder zusammenzubringen“, sagt Steve McQueen. In Basel nutzt er den Ausstellungsraum dafür selbst wie ein Instrument.





