Simon Lässig & Vera Lutz, Romeo’s eyes: Blinde Fährten

Vera Lutz, ZTU⅃, 2025, Ausstellungsansicht, in: Romeo’s eyes, Kunstverein München, 2025, Courtesy die Künstlerin, FELIX GAUDLITZ, Wien und Kunstverein München e.V., Foto: CL / Lutz / Lässig
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22. Juli 2025
Text: Jürgen Moises

Simon Lässig & Vera Lutz: Romeo’s eyes.
Kunstverein München, Galeriestr. 3, München.
Dienstag bis Sonntag 12.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 17. August 2025.
www.kunstverein-muenchen.de

Simon Lässig und Vera Lutz, Ausstellungsanischt, in: Romeo’s eyes, Kunstverein München, 2025, Courtesy die Künstler*innen und Kunstverein München e.V., Foto: CL / Lutz / Lässig
Simon Lässig, In a room of 497 × 239 cm, each wall measuring 250 cm in height, a window of 146 × 134 cm on the left wall, a door of 111 × 200 cm on the wall facing me. Being without motion, I look at the other, measure myself against every movement they make, for I see what they see and see it as they see it: without colour, as angles and distances, 2025, Installationsansicht, in: Romeo’s eyes, Kunstverein München, 2025, Courtesy der Künstler, FELIX GAUDLITZ, Wien, LC Queisser, Tbilisi und Kunstverein München e.V., Foto: CL / Lutz / Lässig
Vera Lutz, The Happiness Experiment, 2025, Installationsansicht, in: Romeo’s eyes, Kunstverein München, 2025, Courtesy die Künstlerin, FELIX GAUDLITZ, Wien und Kunstverein München e.V., Foto: CL / Lutz / Lässig

Es ist dunkel. Nur mit dem Licht einer Taschenlampe lässt sich im Raum etwas erkennen. Wir sehen: Einen Wecker. Tassen. Tücher. Blumen. Ein altes Handy. Andere technische Geräte. Ein bisschen sieht es wie in einem Messie-Haushalt aus. Bei all diesen Dingen, die hier offenbar auf einem Schreibtisch lagern. Aber so genau kriegen wir das nicht zu fassen. Denn die Taschenlampe, die führen wir nicht selber. Vielmehr ist es bei der Video-Installation „The Happiness Experiment“ von Vera Lutz so, dass acht Camcorder auf Stativen die gefilmten Suchbewegungen einer Taschenlampe auf vier Wände im Kunstverein München werfen. Dort ist die Installation als ein Teil von „Romeo‘s Eyes“ zu sehen. Einer gemeinsamen Ausstellung von Vera Lutz und Simon Lässig.

Lutz und Lässig sind beide Jahrgang 1992. Lutz stammt aus München, Lässig aus Stuttgart. Und beide haben eine dialogische Arbeitsweise entwickelt, die 2015 in München begann und neben Ausstellungen auch andere Formate wie Lesungen und Filmvorführungen umfasst. Tatsächlich gehört zu „Romeo’s Eyes“ auch ein Screening von Sharon Lockharts „Lunch Break“ (2008), das am 20. Juli in der Theatiner Filmkunst in München stattfinden wird. Außerdem haben die beiden die Autorin Alexandra Symons-Sutcliffe gebeten, einen Text für die Ausstellungs-Broschüre zu verfassen. Lockharts Film beobachtet 42 Werft-Arbeiter bei ihrer Mittagspause. Und der Text von Symons-Sutcliffe schildert die Gedanken, die sie beim Beobachten des Kindergartens unter ihrem Fenster in Berlin hat.

Damit sind wir nahe dran an dem, was Simon Lässig als Künstler interessiert. Dazu gehören entwicklungspychologische Theorien darüber, wie sich in der frühen Kindheit Formen des Sehens herausbilden. Oder wie ein Kind lernt, Beziehungen einzugehen. Entsprechende Texte baut der Künstler teilweise direkt in seine Arbeiten ein. Im Kunstverein sind das mehrere auf zwei Tischen liegende, gedruckte, englische Texte, in denen ein „Ich“ unter anderem über Erlebnisse in der Kindheit reflektiert. Nur sind die meisten Sätze auf den Drucken geschwärzt. Es lassen sich nur einzelne Sätze oder Absätze lesen. Vieles bleibt unklar. Und genauso ist es auch bei Lässigs sieben Schwarzweiß-Fotografien, die an den Wänden hängen. Auch dort erkennt man nur verschwommene Fragmente oder Umrisse. Was da zu sehen ist oder eher das, was Lässig selbst gesehen hat, erfährt man im Bildtitel, welcher etwa die Größe des Raums und Lässigs eigene Wahrnehmungen beschreibt. Und in der Broschüre erfahren wir: Die Bilder sind Filmstills, eingefrorene Bewegungen im Raum. Trotzdem. Vieles bleibt daran rätselhaft. Das gilt genauso für die eingangs beschriebene Video-Arbeit von Vera Lutz. Weil man ständig denkt: In diesem Wirrwarr aus Gegenständen ist irgendwas versteckt. Ein Clou. Etwas, das wir entdecken sollen. Aber vielleicht ist das hier nur ein ins Leere laufendes System. Genauso wie Lutz‘ Skulptur „ZTUJ“ im Treppenaufgang, die aus einer Türklingel und Kabeln besteht. Nur: Die Kabel führen nirgends hin und erweisen sich im Gegenteil als ein geschlossenes System. Weswegen die Klingel niemals klingelt. Was aber vielleicht ganz gut wäre, weil man sie als Kunstobjekt leicht übersehen kann.

Auch insgesamt ist es bei der Ausstellung so, dass sie ein Stück weit wie ein geschlossenes System wirkt. Man sucht nach Hinweisen, nach dem versteckten Sinn. Und wird dann doch wieder auf sich zurückgeworfen. Was durchaus reizvoll ist, aber doch auch leicht frustrierend. Aber vielleicht ergibt ja durch den Titel „Romeo‘s Eyes“ am Ende alles Sinn. Romeos Augen? Ist damit der prüfende Blick von Romeo gemeint, dessen Augen bei Shakespeare an einer Stelle mit „kris­tallenen Waagschalen“ verglichen werden? Oder sind es die Augen, in die wir als liebende Julia schauen? Wobei wir uns in diesen Augen vielleicht dann auch wieder nur selbst spiegeln. Es bleibt also verzwickt. Oder kann uns da vielleicht ein Shakespeare-Experte weiterhelfen?