Textile Manifeste. Von Bauhaus bis Soft Sculpture: Panorama des Stofflichen

Textile Manifeste Achaintre
Caroline Achaintre, Roadrunner, 2022, Foto: Stefan Rohner, © Caroline Achaintre
Review > Zürich > Museum für Gestaltung
1. Juli 2025
Text: Annette Hoffmann

Textile Manifeste. Von Bauhaus bis Soft Sculpture.
Museum für Gestaltung, Ausstellungsstr. 60, Zürich.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 13. Juli 2025.
www.museum-gestaltung.ch

Textile Manifeste
Elsi Giauque / Käthi Wenger, Colonne en couleurs qui chantent, 1966/1967, Foto: Umberto Romito & Ivan Šuta, Museum für Gestaltung Zürich/ZHdK, © Jan Andry
Textile Manifeste
Sophie Taeuber-Arp, Kissenplatte, 1916, Foto: FX Jaggy & Umberto Romito, Museum für Gestaltung Zürich/ZHdK

Manifeste haben den unschlagbaren Vorteil, dass sie nicht einlösen müssen, was sie einfordern. Manifeste hingegen, die nicht auf Sprache beruhen, können sich da nicht herausreden. Heißt eine Ausstellung, wie im Zürcher Museum für Gestaltung „Textile Manifeste“ gerät damit jede einzelne Arbeit in den Ruf, programmatisch gemeint zu sein – auch dann, wenn die Produzierenden einfach nur weben, sticken oder applizieren wollten. Im Museum für Gestaltung sind Arbeiten von knapp 70 Künstlerinnen und Künstlern zu sehen. Doch im Manifest steckt auch die Hand: das Wissen, wie man Stoffe herstellt, Maschen häkelt oder strickt, war einmal so verbreitet wie das Kochen und uns so nach wie das Hemd, das wir tragen.

Textilien wissen durchaus zu sprechen. Gobelins des Historischen Museum Basel aus dem Spätmittelalter stellen etwa Szenen des höfischen Lebens wilden Männern und Frauen gegenüber, wobei das freie Leben im Wald jenseits gesellschaftlicher Konventionen durchaus attraktiver erscheint. Die in Zürich gezeigten Arbeiten sind weitgehend abstrakt. Das Bauhaus mit seinen einflussreichen Künstlerinnen und Künstlern wie Gunta Stölzl und Johannes Itten ist so etwas wie der Leuchtturm, nach dem sich viele Textilkünstlerinnen und -künstler später ausgerichtet haben. Den Bauhäuslern gelang es, Textilkunst vor ihrem biederen Ruf zu retten. Die ausgestellten älteren Arbeiten stehen für ethnografische Aspekte und werden als Referenzen herangezogen. Die Schau beginnt mit Arbeiten von Ulrike Kessel, die farbige Strumpfhosen miteinander verbindet und in der Ausstellungshalle verspannt, so dass ein buntes Netzwerk entsteht, das durchaus etwas Architektonisches hat. Sowie mit „Roadrunner“ von Caroline Achaintre, die derzeit omnipräsent ist und das gewachsene Interesse an einer Textilkunst zeigt, die mit dem Material experimentiert. Ihr Rennkuckuck hat ein Gesicht, das sowohl en face als auch zwei Mal im Profil zu sehen ist.

Wobei beginnt: die Ausstellung ist derart eng gehängt und präsentiert, dass man sich nur schwer orientieren kann. Es scheint fast als verwebten sich die Arbeiten selbst zu einem alles umfassenden räumlich gewordenen Stoff, werden sie doch nicht allein an der Wand, sondern auch in Vitrinen und als Rauminstallationen präsentiert. Hinzu kommt, dass die Biografien der jeweiligen Künstlerinnen und Künstler auf Säulen zu finden sind, die man nicht immer gleich zuordnen kann. Offensichtlich wollte das Museum für Gestaltung die ganze Vielfalt an Möglichkeiten zeigen – wobei die Sinnlichkeit der verschiedenen Oberflächen und ihre Farbigkeit (gerade auch bei den historischen Arbeiten) schlicht großartig ist. Wer wollte, konnte in den letzten Jahren viel Textilkunst sehen, etwa das Werk von Gunta Stölzl und Johannes Itten im Kunstmuseum Thun, auch die Textilarbeiten von Sophie Taeuber-Arp und Sonia Delaunay bekommen mittlerweile die Würdigung, die sie verdienen. Dennoch setzt die Ausstellung zu viel voraus.

Textilkunst beruht auf Wiederholung und Tradition, so ist in der Ausstellung etwa ein Mustertuch mit Rapporten von Erna Duttweiler zu sehen, die die Klasse von Sophie Taeuber-Arp an der Kunstgewerbeschule in Zürich besucht hat. Für die konkrete Kunst war das Repetitive durchaus reizvoll, so hat etwa auch Gottfried Honegger Tischtücher entworfen. Während die amerikanische Künstlerin Sheila Hicks mit Nesselsträngen arbeitet. Viele der Werke bleiben nicht auf die Fläche beschränkt, sondern sind für den Raum konzipiert, mehr noch, die Wirkung ihrer Farben braucht das sich verändernde Licht und Betrachterinnen und Betrachter, die ihren Standort wechseln. Nicht wenige der gezeigten Arbeiten sind im Kollektiv entstanden und das ist wohl Teil der Faszination von Textilkunst, dass wir alle an dieser großen Erzählung mitwirken.