The Currency Lab / Bunmi Agusto. Das Rauschen aus der Zukunft

Elom20e, Musquiqui Chiying und Gregor Kasper, The Currency – Sensing, 2024, Videostill, , Courtesy the artists, Ausstellungsansicht in der Galerie für Gegenwartskunst, E-Werk Freiburg, Foto: Jennifer Rohrbacher
Review > Freiburg > Galerie für Gegenwartskunst
30. Juni 2025
Text: Dietrich Roeschmann

The Currency Lab: teknomagices

Bunmi Agusto: The Cave

Galerie für Gegenwartskunst im E-Werk, Eschholzstr. 77, Freiburg.
Donnerstag bis Freitag 17.00 bis 20.00 Uhr, Sa 14.00 bis 20.00 Uhr, Sonntag 14.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 13. Juli 2025

www.gegenwartskunst-freiburg.de

Elom20e, Musquiqui Chiying und Gregor Kasper, The Currency – Sensing, 2024, Videostill, , Courtesy the artists, Ausstellungsansicht in der Galerie für Gegenwartskunst, E-Werk Freiburg, Foto: Jennifer Rohrbacher
Kwamou Eva Feukeu, The Reproduction of Unreal Times, 2024, Courtesy the artist, Ausstellungsansicht in der Galerie für Gegenwartskunst, E-Werk Freiburg, Foto: Jennifer Rohrbacher
Bunmi Agusto, The Cave, 2025, Courtesy the artist, Ausstellungsansicht in der Galerie für Gegenwartskunst, E-Werk Freiburg, Foto: Jennifer Rohrbacher
Bunmi Agusto, The Cave, 2025, Courtesy the artist, Ausstellungsansicht in der Galerie für Gegenwartskunst, E-Werk Freiburg, Foto: Jennifer Rohrbacher

Der Wind treibt dichten schwarzen Rauch über das Land, in dem verloren ein paar Kühe stehen. Was sie wiederkäuen ist schwer zu sagen. Der Boden ist übersät mit Plastikmüll und Elektroschrott. Junge Männer sitzen in Gruppen zusammen und hacken Kabelbäume aus Computergehäusen. Die Krähen am Himmel spiegeln sich in Regenpfützen, die in ausgeweideten Kühlschränken dümpeln. Inmitten dieser apokalyptischen Landschaft steht Elom20e (*1982) in Batikgewand, die Kopfhörer auf den Ohren, und lauscht auf die Klänge, die er mit einem selbstgebastelten Sensor dem Müll entlockt, den er vom Boden aufsammelt. Bunk bunk bunk. Brrzz. Phrrieöühh. Aus dem Off improvisieren dazu eine Trompete, Trommeln. „The Currency – Sensing“ heißt die Video-Trilogie, die der Togoer Künstler und Musiker zusammen mit den Filmemachern Musquiqui Chiying (*1985) und Gregor Kasper (*1986)gedreht hat und die jetzt in der Galerie für Gegenwartskunst in der Pfeilerhalle des Freiburger E-Werks zu sehen ist.

Die Sache scheint klar: Die Videos erzählen eine Geschichte des Elektronikschrotts, den der globale Nordwesten oft illegal an den Küsten Westafrikas entsorgt und der über giftige Gase in der Luft, Mikroplastik im Wasser und Schadstoffe im Boden längst zurückgefunden hat in die Nahrungskette von Mensch und Tier. Doch den Künstlern geht es hier nicht zuerst um eine postkoloniale Kritik der Wachstumslogik des Kapitalismus. Mehr interessieren sie sich für die Geräusche, die diese Bewegung produziert – und für die Frage, wie der Sound der Dinge nutzbar gemacht werden kann für eine Emanzipation von der Linearität des westlichen Denkens.

Der afrobritische Autor Kodwo Eshun beschrieb musikalische Ereignisse, die sich nicht durch Komposition entfalten, sondern in der Zusammenkunft von Material, Klang, Technologie und Spiritualität Ende der 1990er Jahre als Sonic Fiction. Der Begriff rückte die Ursachen von Klängen in den Fokus und die grundsätzliche Frage, wie Bedeutung in der Musik entsteht. Dass mit der Darstellung von Klang immer auch Fiktion und Imagination verbunden sind, zeigt die Videotrilogie auf schöne Weise. Wenn Elom20e mit seinem Sensor die zerbrochenen Gehäuse ausgemusterter Handys abtastet, wirkt das, als tauche er dabei tief in das Rauschen einer längst vergangenen Zukunft ein. In einer anderen Szene verkabeln mit Bananenblättern maskierte Kinder die Flora einer selbstorganisierten Farm, auf der sie mit ihren Eltern leben. Überkommene Technologien, die irgendwann das absolut Fortschrittliche repräsentierten, erzählen auch von der Möglichkeit, die Geschichte aus einer anderen Perspektive neu zu erzählen.

In der Ästhetik des Afrofuturismus, auf die sich „The Currency“ bezieht, ist diese Idee zentral. Musiker wie Sun Ra oder George Clinton imaginierten sich als Außerirdische, die gekommen waren, um der Menschheit ihre brutale, primitive Rückwärtsgewandheit vor Augen zu führen und sich dann in eine bessere Zukunft zu verabschieden – eine Zukunft, in der Technologie und Magie nicht länger als Gegensätze gedacht wurden, sondern als zentrale Werkzeuge der Emanzipation. Daran knüpft im E-Werk auch die in Hamburg lebende Zukunftsforscherin Kwamou Eva Feukeu mit ihrer Installation „Die Reproduktion unrelaer Zeiten“ an. Ihr komplexes Schaubild zur Theorie und Praxis gemeinwohlorientierter Währungen wird flankiert von drei munter vor sich hin knisternden Elektroschrott-Objekten des Togoers Dodji Efoui.

Doch nicht nur Sounds verbinden im E-Werk momentan die Gegenwart mit Zukunft und Vergangenheit, sondern auch organisches Material wie Haare. Für ihre Installation „The Cave“ hat die nigrianische Künstlerin Bunmi Agusto (*1999) davon gleich kiloweise zu Zöpfen verarbeitet. Im schummrigen Kabinett der Studio-Galerie hängen diese nun von der Decke, als würden sie wie eine Erinnerung an die Ahnen aus dem Putz wachsen. Sie rahmen eine akkurat mit Buntstift auf Papier gebrachte Schöpfungsgeschichte, in der alles mit allem verflochten ist.