Frida Orupabo. Spectrum Internationaler Preis für Fotografie.
Sprengel Museum, Kurt-Schwitters-Platz 1, Hannover.
Dienstag 10.00 bis 10.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 20. Juli 2025.
[—artline>Nord] Ihr Werdegang ist untypisch, ihr Erfolg umso beeindruckender. Frida Orupabo, geboren 1986 im norwegischen Sarpsborg, hat Soziologie studiert und als Sozialarbeiterin in Oslo mit Prostituierten und Opfern von Zwangsprostitution gearbeitet. Als Tochter einer norwegischen Mutter und eines nigerianischen Vaters, der die Familie verließ, als Frida drei Jahre alt war, hatte sie Diskriminierung selbst schon früh erfahren. „Kreative Tätigkeit wurde zu einem Mittel, um all die negativen Auswirkungen des Rassismus auf mich, mein Umfeld und die Gesellschaft zu erforschen, zu verarbeiten und zu bewältigen.“ 2019 war sie auf der 58. Venedig Biennale vertreten. Jetzt ist sie mit dem renommierten Internationalen Spectrum Preis für Fotografie ausgezeichnet worden, der mit einer Werkschau im Sprengel Museum Hannover verbunden ist. Die Ausstellung führt in einen Bilderkosmos traumatischer Erfahrungen.
Zunächst sind es die Blicke, die das Publikum fesseln. Ausnahmslos schwarze Frauen schauen uns an, People of Colour, deren Erschöpfung, Misshandlung, Hoffnungslosigkeit in ihren Augen liegen und die uns auffordern, sie wahrzunehmen. Orupabo hat ihre Körper aus Bildfragmenten collagiert, die sie im Internet findet. Sie druckt aus, zerschneidet, zerteilt, montiert und schichtet neu, fixiert die Elemente mit Spreizklammern zu großformatigen Figuren, die an papierene Anziehpuppen erinnern, wie Kinder sie lieben. Diesen Körpern scheint die Gewalt eingeschrieben zu sein, die ihnen angetan wurde. Als wären ihre herausgerissenen Gliedmaßen notdürftig zusammengeflickt, so deformiert und verdreht wirken die Gestalten. Oft scheinen sie sich abzuwenden wie in einer schützenden Bewegung, nur ihre Gesichter bleiben uns zugewandt. Unseren Blick zu kontern bedeutet, Widerstand zu leisten, darum geht es der Künstlerin. Das Unbehagen, das uns dabei beschleicht, schüttelt man nicht ab.
Ihr Bildmaterial findet Orupabo in historischen Archiven, Literatur und Cartoons und auch in ihrem privaten Fotofundus. Im Prozess des Collagierens scheint sich der historische Zusammenhang aufzulösen, und doch bleibt jeder Bildschnipsel davon kontaminiert. Die europäische Sicht auf afrikanische Frauen ist kolonial konnotiert, das Erbe der Vergangenheit noch immer gegenwärtig. 2013 hatte Orupabo begonnen, ihre gesammelten Motive des Black Life unter @nemiepeba unkommentiert auf Instagram zu veröffentlichen. Scheinbar zusammenhanglos arrangiert, sind wir aufgefordert, Verbindungen selbst herzustellen und Erzählungen zu entwickeln. Eine 9-Kanal-Videoinstallation erinnert im Sprengel Museum an den typischen Instagram-Feed mit drei mal drei nebeneinanderstehenden quadratischen Fenstern. In schneller Folge verdichten sich hier kurze Reels, Fotos und Textfragmente zu einem gewaltigen Bilderstrom von physischer Wucht.
Seit Frida Orupabo ihre Kunst zu raumgreifenden Installationen erweitert, ist das Motiv des Vorhangs präsent als Symbol des Verbergens und Zurschaustellens, der Bühne und des Voyeurismus. Wer die Ausstellungssäle im Sprengel Museum betritt, die durch eine Enfilade miteinander verbunden sind und einen Durchblick gestatten, wird magisch angezogen von der monumentalen Arbeit „Grandma’s House“ (2023) im letzten Raum. Grüne Vorhänge geben den Blick frei auf das Foto einer schwarzen Frau, über deren Gesicht sich in Überblendung ein feines Gewebe legt. Eine Stricknadel über der Augenbraue wirkt wie eine grobe Narbe, evoziert Bilder von Verletzung, Schmerz und häuslicher Gewalt. Kuratorin Inka Schube hat neben der wandfüllenden Installation die kleine Collage „Closed Fists“ (2021) platziert, eine junge Frau mit geballten Fäusten und schwarzen Flügeln, die abzuheben scheint. Wie ein Selbstporträt der Künstlerin wirkt dieses Bild, ein Zeichen von Wut und Widerstandskraft. Ein radikaler Akt der Selbstermächtigung.