Kosen Ohtsubo & Christian Kōun Alborz Oldham: Flower Planet.
Kunstverein München, Galeriestr. 3, München.
Dienstag bis Sonntag 12.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 21. April 2025.
www.kunstverein-muenchen.de
Ikebana, das kennen viele aus der Volkshochschule. Als eine in Japan hoch geschätzte Kunst des Blumenarrangierens. Deren Geschichte reicht zurück bis ins 6. Jahrhundert, mit Wurzeln im Buddhismus, in China und in Indien. Wie man so eine alte Kunst lebendig hält, das ist die Frage. Und ganz speziell hat sich diese Anfang des 20. Jahrhunderts und dann noch einmal nach dem Zweiten Weltkrieg gestellt. Die Antwort darauf waren unter anderem neue, nicht-florale Materialien wie Stein, Kunststoff, Papier oder Metall. Oder auch der Bezug zur modernen Kunst, wie aktuell die Ausstellung „Flower Planet“ im Kunstverein München belegt. Zu sehen sind dort Arbeiten von Kosen Ohtsubo und Christian Kōun Alborz Oldham. Ohtsubo gilt als bedeutender Praktiker und Lehrer der Kunstform Ikebana. Er wurde in den 1970ern durch unkonventionelle Methoden wie die Verwendung von Gemüse oder Abfall bekannt. Christian Kōun Alborz Oldham ist ein in Berlin ansässiger junger Künstler, der bei Kosen Ohtsubo eine Ausbildung zum Ikebana-Meister gemacht hat. Währenddessen begann er außerdem damit, bestehende Fotografien von Ohtsubos Werken aus den letzten fünfzig Jahren zu archivieren. In der Ausstellung „Flower Planet“ kommt nun all das zusammen: Aktuelle Ikebana-Arbeiten von Ohtsubo sowie fotografische Dokumente aus den letzten Jahrzehnten, ergänzt durch weitere Kunstwerke von Oldham.
Die erste Arbeit von Oldham, „The Speaking Machine Attempts To Read“, ist bereits am Eingang zu erleben. Das heißt: Wenn man Glück hat. Denn die eigens für die Ausstellung konzipierte Soundarbeit ist nur dann als entferntes Echo zu hören, wenn sich niemand oben in der Ausstellung befindet. Die Arbeit ist eine Auseinandersetzung mit dem vermutlich ältesten Sprechapparat der Welt. Einer Erfindung von Wolfgang von Kempelen, die dieser in seinem Buch „Mechanismus der menschlichen Sprache“ von 1791 beschreibt. Mit dieser war es möglich, kurze Laute und Worte wie „Mama“ und „Papa“ zu produzieren. Bei Oldham sind es zwölf Texte, die die Maschine in eine Tonspur verwandelt hat und die nun durchs Gebäude geistern.
Im ersten Obergeschoss geht es weiter auf Zeitreise. Mit Fotos, die Ikebana-Werke von Ohtsubo aus den Jahren 1971 bis 1994 und seinen freien, experimentellen Umgang mit der Tradition dokumentieren. Das fängt etwa mit dem „Ikebana-Ausstellungsmüll“ von 1971 an. Auf „Cool, Breathable Clothing“ von 1978 sieht man eine Frau, umhüllt von einer Schusterpalme. Und auf „Botanical Man“, ebenfalls von 1978, ist der Künstler selbst abgebildet, rauchend, mit verhülltem Gesicht, eine Rizinusölpflanze schlingt sich um ihn herum. Dadurch vorbereitet steht man dann im Hauptraum vor dem zentralen Werk der Ausstellung: „Linga München“. Einer drei Meter hohen Skulptur, die unter anderem aus 300 Korbweidenruten, einer Kerze, Metallschrott, Blumen und Blättern besteht. Das Linga ist das Symbol der Hindu-Gottheit Shiva. Im alten China und Indien wurden den meist aus Gestein gefertigten Linga Opfergaben in Form von Blumen oder Früchten dargebracht.
Auf sechs Sockeln werden im Raum zudem aktuelle Ikebana-Arrangements von Ohtsubo und von Oldham präsentiert. Verwendet haben die Künstler dafür etwa Kohl, Keramik, einen japanischen Bettwärmer, indische Saubohnen oder Karotten. An den Wänden wiederum schlängeln sich gebogene Linien, die aus Blitzableitern und Datteln bestehen. Eine Arbeit, die Oldham „Dateline“ genannt hat. Und im letzten Saal hängen 800 Korbweidenruten von einem Metallrahmen herab. „Willow Rain“ heißt das Werk von Ohtsubo, dessen Kunst sich aus der japanischen Tradition speist. Deren zentraler Gedanke der Vergänglichkeit auch an holländische Stillleben, die Kunst der Performance, aber auch an neuere Strömungen der Eco Art oder des Upcyclings erinnert. Das heißt: Ohtsubos Ikebana-Kunst mag zeitlich begrenzt sein, also „temporary“. Aber gerade auch das lässt sie „contemporary“, als sehr heutig und modern erscheinen.