Susan Hiller: Divided Self.
Kunsthaus Biel / Centre d’art Bienne, Seevorstadt 71-73, Biel/Bienne.
Mittwoch bis Freitag 12.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 12.00 bis 20.00 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 20. April 2025.
www.kbcb.ch
Zeitgleich zeigt Denis Savary im Kunsthaus Biel die Ausstellung „Nashville“.
Man könnte Susan Hillers Arbeit über das Postkartenmotiv der rauen See als einen Beitrag zur mitunter etwas skurrilen populären Kultur Großbritanniens verstehen. So wie sie englische kuhförmige Milchkannen ausstellte und die latente Frauenfeindlichkeit auf fast schon dadaistische Weise mit einer Aufnahme der Wildwest-Outlaw Jennie Metcalf brach, die unter anderem Vieh stahl. Nicht umsonst hatte Susan Hiller (1940 – 2019) Anthropologie studiert. Als gebürtige US-Amerikanerin hatte sie zudem einen distanzierteren Blick auf ihre Wahlheimat, in der man sich aus Seebädern mit Postkarten meldete, auf denen eine Sturmflut abgebildet war. Hiller listete ihre Sammlung von Vintage-Postkarten tabellarisch auf, vermerkte die Herkunft und auch, ob etwa ein Schriftzug aufgedruckt war. Eine Dokumentation ist die Serie, die in den 1970er Jahren entstand, sicherlich zu weiten Teilen auch, doch sollte man den Titel „Dedicated to the unknown artists“ nicht übersehen. Er würdigt die Arbeit jener, die die Postkarten kolorierten oder sie um malerische Details ergänzten, wenn die „Dog Wave“ die Promenade überspülte oder sich am New Palace in Brighton eine Welle brach. Es war vor allem Frauen, die das taten. Von 2009 bis 2015 bearbeitete Hiller die Motive digital, veränderte die Farben und vergrößerte Einzelheiten, so als ob sie an die Stelle der unbekannten Künstlerinnen getreten wäre.
In der Ausstellung „Divided Self“ im Kunsthaus Biel, die sich über zwei Stockwerke erstreckt, sind nun beide Werkgruppen zu sehen. Bereits Anfang der 1970er Jahre widmete sich Hiller dem Unbekannten und Unsichtbaren. In „The Last Silent Movie“ überlässt sie es der Vorstellungskraft der Ausstellungsbesucherinnen und -besucher, sich die Sprechenden vorzustellen. Denn stumm ist dieser Film gerade nicht, eher am Verstummen. Hiller ließ in ihrer Dreikanalprojektion Menschen zu Wort kommen, die zu kleinen oder aussterbenden Sprachgemeinschaften gehören. Manche von ihnen erzählen Anekdoten aus der Nachbarschaft oder legen ihr Weltbild und ihre Mythologie dar. Auf Cajun, einem westfranzösischen Dialekt, der in Louisiana gesprochen wird, hören wir eine Reihe von einzelnen Worten. In ihrem Werk hat sich Hiller oft mit Dingen befasst, die anderen zu randständig und zu unbedeutend waren. Dass sie diese zugleich einer Systematisierung unterzog, verband sich mit der Hoffnung auf Erkenntnis. Das Paranormale nahm dabei einen großen Raum ein. In Biel ist so auch „Wild Talents“ zu sehen, die Videoinstallation besteht aus Found-Footage von Kindern, die Besteck verbiegen oder Dinge allein mit ihrem Willen zu bewegen scheinen.
Hiller weitet diese Erkundung des Unsichtbaren zudem auf sich selbst aus. Während ihrer Schwangerschaft fotografierte sie ihren wachsenden Bauch als Halbmond, der mit der Zeitspanne von zehn Monaten korrespondierte. Texte begleiten diese Lebensphase. Im ersten Monat, so ist nachzulesen, träumte sie, sie würde eine Katze austragen, während alle anderen Frau Kinder bekämen. Später dankten es ihr die Katzen. 1972, ein paar Jahre zuvor, als sie in ein anderes Atelier umzog, verbrannte sie einige ihrer Arbeiten und füllte die Asche in Reagenzgläsern. Sie entzog ihre Werke dem Blick und gab ihnen doch eine Präsenz. Unter dem gleichen Paradox steht die Serie „Work in Progress“, sie besteht aus Fäden, die sie in der Londoner Matt’s Gallery aus Leinwänden zog. Manche haben die Form eines Stranges, manche sind zu einem Ball verdichtet, andere ein einziges Wirrwarr. Mag sein, dass dieser dekonstruktivistische Ansatz ihrer akademischen Ausbildung geschuldet war. Ihre Installation „Painting Books“ von 1975 zeigt zerschnittene Leinwände, bemalt mit blauen und grünen Streifen, die sie zu Büchern gebunden oder zu Würfeln geformt hatte. An den Wänden sind vier Projektionen von Ausschnitten der Bilder zu sehen, die Raster zeigen. Sie wirken wie eine ironische Reminiszenz an den Minimalismus.