Marie Matusz: Reservoir.
Kunsthalle Basel, Steinenberg 7, Basel.
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 20.30 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 27. April 2025.
www.kunsthallebasel.ch
Marie Matusz: Canons and Continents.
Projekt für die Rückwand der Kunsthalle Basel.
Bis 17. August 2025.
An der rückwärtigen Aussenwand der Kunsthalle Basel sind 30 schwarze quadratische Vitrinen angebracht. Die strenge, abweisend wirkende Installation „Canons and Continents“ der 1994 in Toulouse geborenen und in Basel lebenden Künstlerin Marie Matusz enthüllt ihr Innenleben erst beim näheren Herantreten. Nach der Wahrnehmung des eigenen Spiegelbilds trifft der Blick, auf hinter transluzentem Glas verborgene, nur schemenhaft erkennbare Kreisformen. Es wird bewusst, dass wir auch Teil fremder, immaterieller Dimensionen sind. Ähnlich geheimnisvoll und komplex präsentiert sich auch Matusz’ Ausstellung „Reservoir“ im oberen Geschoss der Kunsthalle.
Steigt man die ausladende Treppe zum Oberlichtsaal hinauf, fühlt man sich in die Vergangenheit versetzt. Ein wandfüllendes Fresko, gemalt 1877 von Ernst Stückelberg, lässt metaphorisch die Kunst in Gestalt einer träumenden, jungen Frau erkennen und wirkt als Einstimmung auf das kommende Thema. Entstanden fünf Jahre nach der Eröffnung der Basler Kunsthalle 1872, wird damit ein kollektives Kunstgedächtnis aufgerufen.
In der oberen Etage ist es düster und ein Cluster aus Vogelstimmen, Klavierspiel und Rumoren umfängt die Sinne. Zwei grelle Scheinwerfer werfen grosse Schatten, ausgehend von dunklen Vitrinen im leeren Raum. An den Wänden tauchen vereinzelt Bilder auf. Gleich neben dem Eingang hängen zwei davon, eines hochkant, das andere horizontal ausgerichtet. Ihr mehrschichtiger Aufbau, mit spiegelnden und opaken Flächen wird von einer mit Vierpass-Motiven bemalten Fläche abgeschlossen. Das Ornament, in der Gotik und Romanik häufig verwendet, gibt den Werken eine sakrale Anmutung. Unnahbar, etwas mysteriös wirken auch die drei aufragenden, dunklen Konstruktionen auf dem zinnverkleideten Boden, der jede Spur des Publikums aufzeichnet. Passend dazu der Titel „Towards Vanishing“ (2025), der von Auflösung und Vergänglichkeit spricht. Verschiedene Lagen aus transluzenten, opaken Scheiben und bemalten Flächen überlagern sich in den dreidimensionalen Gebilden mit zwei unterschiedlichen Schauseiten, versehen mit eigenen Titeln. So erscheint quer zum Eingang ausgerichtet, „Hommage-Letter, Image-Density“, ein handgeschriebener Text mit durchgestrichenen Zeilen zwischen den Gläsern. Das Löschen der Wörter macht spürbar, dass jeder Satz sogleich ins Vergessen eingeht. Es scheint, als ob sich der ganze Ausstellungsraum in eine grosse Speicherzelle mit auftauchenden und wieder absinkenden Erinnerungsfragmenten verwandelt.
Kunst ist in zeitliche Strukturen eingebettet, hängt auch mit Vereinen und Institutionen zusammen. Sichtbar wird das in einem kleinen beschädigten Bild von 1852 aus dem Archiv des Kunstvereins. Darauf zu sehen ist ein Umzug mit aufgeblähten Männern, der sich als „Ehrengesellschaft der Schildkröten“ zu erkennen gibt. Ein kleines Gemälde von Burkhardt Mangold zeigt die Versammlung des Basler Kunstvereins von 1920. Sind es nicht solche und ähnliche Gremien, die den Kanon der Kunst mitbestimmen? Marie Matusz konfrontiert das Bild mit ihrer Installation „Two visions of Unity“, einer monumentalen Spiegelfläche mit einer zentralen schwarzen Öffnung, wie ein durchlässiges blindes Auge, das sowohl in den Raum schaut als auch die Ausseninstallation der Künstlerin hereinholt. Die am Boden ruhenden rostigen Ring und eine dunkle, aufs Fenster montierte Kapuzengestalt – „Fellow Prisoners“ von 2025 – verdeutlichen, dass wir alle Gefangene einer sowohl erinnerten als auch, sich stetig neuerschaffenden Kunsttradition sind.