Rosemarie Trockel / Thea Djordjadze: limitation of life.
Städtische Galerie im Lenbachhaus, Luisenstr. 33, München.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 27. April 2025.
www.lenbachhaus.de
Die erste Erfahrung: Es ist dunkel. Was einen in heutigen Kunsträumen ja nicht unbedingt überrascht. Und weil das so ist, geht man in der Ausstellung „limitation of life“ von Rosemarie Trockel (*1952) und Thea Djordjadze (*1971) im Münchner Lenbachhaus gleich in die Erwartungshaltung über: Hier muss irgendwo ein Bildschirm oder eine Leinwand flimmern, das müsste doch eigentlich schon zu hören sein. Aber nein. Es bleibt ruhig, sehr ruhig und dunkel.
Stattdessen kommt man zuerst einmal an einer Art Altar vorbei. „Kapelle von venice, but without terror“ heißt die Arbeit von 2017, die aus zwei Schwarzweiß-Filmstills und zwei urnenartigen Gefäßen besteht. Tatsächlich soll in die Gefäße Asche eingearbeitet sein, die von früheren Skulpturen von Trockel und Djordjadze stammt. Ist das Recycling oder die Wiederbelebung alter Geister? Ein Geist, der hier jedenfalls herumspukt, ist der von Christoph Schlingensief. Auf dessen „Kirche der Angst“ auf der Biennale in Venedig 2011 spielt der Titel an. Und dann ist da noch der Geist des französischen Dichters Arthur Rimbaud. Dessen lyrisches Ich beschreibt im Gedicht „Une saison en enfer“ die Schönheit als „bitter“, gefolgt von dem Satz: „Und ich beschimpfte sie“. Diese „bittere Schönheit“ soll das Motto für die Ausstellung sein, die eher auf die Intuition als auf die bewusste Wahrnehmung setzt, auf das Gefühl anstatt auf den Verstand und die Berechenbarkeit. Und auf den Humor und einen leichten Grusel. Denn wenn man den eigentlichen Ausstellungsraum betritt, nach der „Kapelle“ im Vorraum, dann stellt sich die Frage: Hey, sitzt da nicht wer, in einem komischen Schaukelstuhl? Und hat der- oder diejenige da einen Stecken in der Hand?
Die Antwort, Achtung Spoiler: Es ist eine lebensgroße Puppe, mit einer blauen Jacke, gelber, farbverschmierter Hose und einem Mundschutz unten am Gesicht. Da könnte man sofort an Corona denken, auch bei dem Titel „limitation of life“. Aber die 2007 entstandene Arbeit soll eine erschöpfte Künstlerin darstellen. Und sieht sie nicht tatsächlich ein bisschen wie Rosemarie Trockel aus? Die scheut als Künstlerin ja eher die Öffentlichkeit, hat die Rolle der Frau mit ihren Strickbildern oder Herdplatten-Objekte aber oft thematisiert. Das machte sie berühmt. Im „Kunstkompass“ des Magazins „Capital“ landete sie zuletzt mit Georg Baselitz auf Platz 3. Die aus Georgien stammende Thea Djordjadze war früher Trockels Schülerin. Seit zahlreichen Jahren arbeiten die beiden aber gleichberechtigt zusammen.
Das könnte zu Verwechslungen führen. In ihrer gemeinsamen Ausstellung haben sie aber dann doch genügend Hinweise eingebaut, um ihnen auf die Schliche zu kommen. Im Falle von Trockel sind das etwa die Schnüre, die in Kombination mit Eisen und Neonleuchten und als Teil der Arbeit „Lob der Langeweile“ (2008) oben an der Decke eine Art Leitsystem bilden. Außerdem sind da diese Wollfäden, die sich um die linke Seite des großen Doppel-Bildes „A Ship So Big, A Bridge Cringes“ von 2007 ziehen. Die rechte Seite ist bemalt, mit einem leicht kubistisch anmutenden Muster. Die grauen Nuancen verweisen auf Djordjadze genauso wie der Sockel aus Metall. Ein Material, mit dem die deutsch-georgische Künstlerin gerne arbeitet. Auf der Rückseite geht es weiter. Da hängt eine Schnur, es gibt knochenartige Gebilde. Und auf dem Sockel ist tatsächlich Wasser.
Wohin das Schiff fährt, welche Brücke hier zusammenbricht? Gute Frage. Vielleicht ja die ins Metaphysische, oder im Gegenteil die Brücke ins Verständliche? Auf jeden Fall wird hier bewusst mit den Erwartungen gebrochen. Auch der „Realismus“ der sitzenden Figur fühlt sich wie ein Bruch an. Aber vielleicht soll sie uns auch nur sagen: „Just sit down and relax!“. Oder soll sie uns vielmehr zeigen, dass Kunst harte Arbeit ist? Damit wir uns auch als Betrachter etwas anstrengen? Zu sehen, zu denken oder fühlen gibt es jedenfalls genug in dieser inspirierenden Ausstellung. Auch wenn, oder gerade weil es dort etwas dunkel ist.