Curator’s Choice: Protoplast.
T66 kulturwerk, Talstr. 66, Freiburg.
Donnerstag, Freitag und Sonntag 13.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 23. Februar 2025
Die Signale, die eines der Mitglieder von Protoplast aussendet, sind gezielt uneindeutig. Sie seien ein Künstler*innenkollektiv, das keine Auskunft über die Identität der Beteiligten geben möchte, weder über ihre künstlerische Herkunft, noch über ihre Beweggründe, im Kollektiv zu arbeiten. Als gelte es, sich vor allzu neugierigen Blicken zu schützen, nimmt es das Trio deshalb auf anderer Ebene dann auch sehr genau mit der Identität – das zumindest legt sein Corporate Design nahe samt Logo, fancy Flyer-Layouts, überbordendem Instagram-Kanal und schwarzen Protoplast-Werkzeugkoffern, die die Mitglieder wie Visitenkarten mit sich herumschleppen.
Das tun sie nicht erst seit gestern, sondern seit 35 Jahren – in bislang nur einmal wechselnder Besetzung. So viel Kontinuität ist selten in Gruppenzusammenhängen außerhalb von Familie, Kirche oder Partei. Im Fall von Protoplast dürfte der geteilte Hang zu Sperrigkeit und Obskurität ein verbindendes Element sein, sicher aber auch die Tragfähigkeit des eigenen Netzwerks, das seine Anfänge in der Aufbruchstimmung der frühen Neunziger gehabt haben dürfte, als sich aus dem Joint Venture von Kunst und Subkultur die ersten Ansätze einer Kreativwirtschaft herausbildeten, aber auch jede Menge alternative Off-Szenen.
Aktuell sind Protoplast auf Einladung von Kurator Helge Emmaneel im Freiburger T66 kulturwerk zu Gast. Der Aufbau ihrer Ausstellung war konzentriert, denn die Zeit war knapp zwischen ihren vielen Verpflichtungen. Gerade erst haben sie im Basler Manger & Boire als Gewinner eines Open Calls eine ausladende Wandarbeit realisiert, schon müssen sie ihre Werkzeugkoffer packen für die Hybrid Art Fair in Madrid, zu der sie Anfang März von einer Antwerpener Galerie eingeladen wurden. Acht weitere Ausstellungen sind für 2025 geplant, darunter auch Plakataktionen wie die Kampagne „Endobone palaectomy“ mit Aquarellen von paläontologischen Fake-Skeletten, welche die Gruppe während der Art Basel 2024 für die Stuttgarter Galerie Sammlung Amann in der Stadt klebte.
Was das Kunstkollektiv derzeit herstellt, nennen die Beteiligten „generierte Artefakte“ und meinen damit „Bildstörungen“, die „aus protoplastischer Sicht nur persönlich erlebt werden“ können. In die Wirklichkeit des Freiburger Kunstraums übersetzt, präsentieren sich die als „zehn vehemente Ölbilder“ angekündigten Artefakte hier als gut verdauliche Mixed-Media-Kunst zwischen Street Art, Malerei, Fotografie und Collage. Die von Protoplast bevorzugte Technik der Wheatpastes – mit Weizenkleister auf die Wand oder andere Bildträger gebrachte Papierarbeiten –, wurde ab Mitte der 2000er Jahre durch Banksy, JR und andere Urban Creatives berühmt. Sie ermöglicht das weitgehend risikolose Austoben im öffentlichen Raum, ohne auf die Aura der Illegalität verzichten zu müssen – anders als Sprühfarbe lassen sich Wheatpastes spurlos entfernen.
Protoplast verwenden diese Technik für ihre Bilder auf Aluminium. Im T66 fällt vor allem das wüste Porträt eines hybriden Wesens zwischen Mensch und Tier heraus, das mit großen Augen die Eintretenden fixiert. Kleinere Formate mit derangierten Fragmenten von Körpern reihen sich an der Wand daneben, eines zeigt eine Tanzende, die den Weg ins Stockwerk darunter weist. Dort warten im Dunklen „drei grässliche Kisten“ als analoge Animationen von selbstgebastelten Disco-Settings in monströsen Schaukästen. Zu Strobo-Licht zucken da Paper Cuts von Körpersilhouetten auf schwarzen Bühnen oder bewegen sich sanft vor flackernden Neonröhrenbergen. Die zufallsgesteuerte Lüftung liefert den Soundtrack dazu. Das ist ziemlich kurzweilig, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der fröhliche Do-It-Yourself-Charme dieser Arbeiten in seltsamem Widerspruch zu der Ernsthaftigkeit und Ausdauer steht, mit der das Kollektiv die Corporate Anonymity als künstlerische Strategie behauptet und dabei manchmal wirkt wie eine Parodie seiner selbst.