Orte der Kunstproduktion (XXV): Fonds für junges Design der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen

Katharina Spitz, Forget Me Not, 2023, © Katharina Spitz, Foto: Alica Retouva
Thema > Hamburg > Museum für Kunst und Gewerbe
25. Januar 2025
Text: Peter Boué
Sandra Mawuto Dotou, Conscious and Collective Love, 2024, TG Queers, Filmstill, © Sandra Mawuto Dotou & Fo Kwesi
Jan Hottmann, Prozessbild (manipulierte Videospielgrafik), 2022, © Jan Hottmann
Katharina Spitz, Forget Me Not, 2023, Filmstill, © Katharina Spitz, Foto: Alica Retouva

[— artline>Nord] Vor rund vier Jahren initiierte die Stiftung Hamburger Kunstsammlungen (SHK) ein Projekt, das über ihre ureigene Bestimmung hinausgeht, also tiefer greift, als mit Stiftungsgeldern der drei Hamburger Museen, der Kunsthalle und dem Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G) sowie dem Museum am Rothenbaum, die jeweiligen eigenen Sammlungsbestände er­weitern zu helfen. Der „Fonds für Junges Design“ hat zum Inhalt, junge Kreative aus den Bereichen Produktdesign, Mode, Grafikdesign und Fotografie zu einem besonders gestalteten Residenzprogramm einzuladen. Die Besonderheit besteht darin, dass die Resident:innen ein Atelier im Museum haben – nämlich den Dieter-Rams-Raum, eine Nachbildung von dessem Büro in der HFBK – und darüber hinaus für die Entwicklung ihres Projektes Zugriff auf die überaus reichhaltige Sammlung des Museums bekommen. Die Residency läuft jeweils über ein halbes Jahr und an deren Ende steht eine Ausstellung im Haus, mit der die jeweiligen Resident:innen ihr Projekt in eine Form bringen und zeigen können. Der Sinn ist es, junge Gestalter:innen finanziell und ideell zu fördern. Das Ziel der Stiftung, zeitgenössische Kunst sowie neues Design und Kunstwerke von Künstler:innen des globalen Südens für die Museen zu erwerben, ist dabei nicht aufgegeben, sondern einige Fotos, Modelle, Stoffe oder anderen Objekte aus den Ausstellungen werden von der SHK erworben und verbleiben als Dauerleihgabe dem MK&G.

Rückblickend auf die bislang sieben auf diese Weise geförderten Gestalter:innen lässt sich sagen, dass eine größere Diversität in Ansatz und Form, Gehalt und Zielsetzung kaum möglich ist. So hat 2021 der Produktdesigner Benjamin Unterluggauer sich vom „Blow Chair“ dahingehend führen lassen, mit Kunststoffen und Luft zu arbeiten mit allen ökonomischen und ökologischen Überlegungen. Es werden künstlerische Strategien im Sinne der „Designfiction“ entworfen. So hat im letzten Jahr die konzeptuelle Designerin Anna Resei Truhen erarbeiten lassen, die sich für die Situation eines künftigen nomadischen Lebens nach der Wasserkatastrophe eignen könnten.

Der Stipendiat Jan Hottmann hat in anderer Weise fiktive mit realen Bilder verbunden, als er Filme im Gaming-Segment mit dokumentarischem Bildmaterial aus Hamburgs Stadtgebiet bildtechnisch aufbereitete. Über die Beschäftigung mit Denkmälern und Erinnerungskultur ließ sich die Modedesignerin Katharina Spitz zu Skulpturen inspirieren, die durch ihre spezifische Materialität an Ausdruck gewinnen. In ihrer Installation „A seat on the table“ nahm auch Lea Sievertsen 2022 eine weibliche Position dazu, nämlich wer an welchem Tisch sitzt, zum Thema. Die zuletzt im MK&G residierende Gestalterin war die Kommunikationsdesignerin Sandra Mawuto Dotou, deren künstlerischer Schwerpunkt eindeutig dem Rassimus und seiner Überwindung gilt. Sie entwickelte in verschiedener Weise Strategien zu Information und Aktivismus in Verbindung mit vielen Gruppen, hier und in Togo.

Die bisherigen Stipendiat:innen haben meist in unterschiedlich ausgeprägter Weise ihre Projekte mit künstlerischen Mitteln ausgeführt. Für den nun achten, erst vor kurzem eingetroffenen Stipendiaten Jojo Gronostay (*1988) ist es als Fotokünstler die ureigene Ausdrucksweise. Sein Weg führte ihn zunächst zur Mode und anschließend zum Kunststudium nach Wien, wo er seitdem lebt. Er hat ghanaische Wurzeln, was ihn in unterschiedlicher Weise zu Themen im Umkreis von postkolonialen Werte- und Machtverhätnissen treibt. Und auch zu verschiedenen Arbeitsweisen, die ihn immer wieder in den Umkreis von Mode führen. So gibt es eine performativ-aktivistische Seite wie sein Label „Dead White Men’s Clothes“ und seine Fotoserie „Brutalism“ – erwachsen aus europäischer Second-Hand-Kleidung auf ghanaischen Märkten. Weitere Werkgruppen in diesem Kontext handeln von Kleidung als Träger von Selbstverständnis und Luxus. So verstanden, gestaltet Gronostay nicht die Mode, aber den politisch-ökonomischen Subtext der Mode. Seine Ausstellung im MK&G beginnt im kommenden Mai.