Margrit Linck, Pionierin der Keramik: Spagat zwischen Design, freier Kunst und Kunsthandwerk

Margrit Linck
Margrit Linck, freie Kunst und Gebrauchskeramik, 2023 © Foto: Umberto Romito & Ivan Suta, ZHdK
Review > Zürich > Museum für Gestaltung
1. April 2024
Text: Dietrich Roeschmann

Margrit Linck, Pionierin der Keramik.
Museum für Gestaltung, Toni-Areal, Pfingstweidstr. 96, Zürich.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 14. April 2024.
www.museum-gestaltung.ch

Da stehen sie nebeneinander, die Wilden und die Korrekten. Die mit den weichen Körpern, sinnlich und verspielt, in hellen Erdtönen, intuitiv bemalt – und die mit den scharfen Kanten, Geschirr und Vasen wie collagiert aus glänzend weißen Rohrmodulen der Industrie. Wie wichtig und inspirierend für Margrit Linck (1897-1983) der Spagat zwischen Design, Kunsthandwerk und freier Kunst war, zeigt derzeit eine kompakte Retrospektive der Kerami­kerin im Museum für Gestaltung auf dem Zürcher Toni-Areal. Auf gerade mal sechs Regalen entfaltet die kleine Schau einen umfassenden Überblick über das Schaffen der Bernerin, die zu den Pionierinnen der zeitgenössischen Keramik zählt und 1935 als erste Frau in der Schweiz eine kommerzielle Töpferei eröffnete. Bis dahin war die Kontrolle über die Entwürfe und die Geschäfte Männern vorbehalten, ebenso die gestaltende Arbeit an der Drehscheibe. Frauen waren nahezu ausschließlich zuständig für die Umsetzung der Dekors im Malstudio.

Nach einer Töpferlehre in Wichtrach bei Bern und nach längeren Arbeitsaufenthalten in München und Berlin war Linck 1927 mit ihrem Mann, dem Bildhauer Walter Linck, nach Paris gezogen. Dort bewegten sich die beiden im Umfeld der Surrealisten, lernten Germaine Richier und Alberto Giacometti kennen sowie den Sammler Serge Brignoni, der sich intensiv mit der Kunst Ozeaniens beschäftigte. Als sie 1930 nach Bern zurückkehrten, orientierte sich Linck in ihren frühen Entwürfen zunächst an traditionellen Vorbildern wie der Heimberger Keramik. Ab den späten 1940er Jahren begann sie dann aus dem Tonblock surreale Figuren zu formen, deren menschliche oder tierische Körper oft Skulptur und Gefäß in einem waren, Hohlformen für wechselnde Inhalte, Objekt gewordene Vexierbilder. Die Metamorphose wurde zu einer Art Leitmotiv ihres Schaffens – und das Beharren auf der Freiheit der Kunst zur Voraussetzung für die Schärfung ihres gebrauchskeramischen Programms. Während Linck für ihre Skulpturen und Bemalungen, die sie unter anderen mit Joan Miró ausstellte, Anregungen aus der außereuopäischen Kunst aufnahm, arbeitete sie in der Gebrauchskeramik ab Mitte der 1950er Jahre an der Reduktion der Form. Das blieb nicht ohne Folgen: „Da für mich die Form das Wichtigste ist und stets das Primäre bleibt, denke ich, dass ich, wenn die Form gut ist, als Farbe eigentlich nur Weiß verwenden kann“. Ausgehend von diesem radikalen Ansatz entwickelte Linck ab den Sechzigern eine umfangreiche Kollektion an Vasen, Kannen und Gefäßen, die nicht nur bis heute produziert werden, sondern zum Teil nach wie vor so futuristisch aussehen, als würde ihnen ihre Zukunft erst noch bevorstehen.