Jasper Johns – Der Künstler als Sammler. Von Cézanne bis de Kooning: Studienobjekte des Künstlers

Jasper Johns Fischl
Eric Fischl, Untitled, (Bather with sunglasses),1984, © 2023, ProLitteris, Courtesy Collection Jasper Johns
Review > Basel > Kunstmuseum Basel
15. Dezember 2023
Text: Iris Kretzschmar

Jasper Johns – Der Künstler als Sammler. Von Cézanne bis de Kooning.
Kunstmuseum Basel, St. Alban-Graben 16, Basel.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 4. Februar 2024.
www.kunstmuseumbasel.ch.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen: Hirmer Verlag, München 2023, 148 S., 49,90 Euro | ca. 59,90 Franken.

Jasper Johns Cézanne
Paul Cezanne, Baigneur descendant dans l'eau, ca. 1885, © 2023, ProLitteris, Courtesy Collection Jasper Johns
Jasper Johns Kline
Franz Kline, Composition, 1948, © 2023, ProLitteris, Courtesy Collection Jasper Johns
Pablo Picasso, Cinq études pour „La femme au coq’, 1938, © Succession Picasso / 2023, ProLitteris, Courtesy Collection Jasper Johns
Jasper Johns Guston
Philip Guston, Smoking in Bed, 1974, © The Estate of Philip Guston, © 2023, ProLitteris, Courtesy Collection Jasper Johns

Welch ein Privileg, Einblick in die private Sammlung des bekannten US-amerikanischen Künstlers zu erhalten. Jasper Johns, heute 93 Jahre alt, wurde in den 1950ern mit der Darstellung von Zahlen, Zielscheiben und der Flagge der Vereinigten Staaten bekannt und gilt als Wegbereiter der Pop-Art. Das Kunstmuseum Basel zeigt nun 103 Werken von 47 Kunstschaffenden aus seiner vielstimmigen, über 70 Jahre hinweg gewachsenen Kollektion und erfüllt damit einen lang gehegten Wunsch des Direktors des Kunstmuseums Joseph Helfenstein. Das Sondersetting dieser Ausstellung „Jasper Johns – Der Künstler als Sammler. Von Cézanne bis de Kooning“ basiert auch auf jahrzehntelangen freundschaftlichen Kontakten zu früheren Museumsdirektoren, wie Carlo Huber, Franz Meyer, Christian Geelhaar und dem Leiter des Kupferstichkabinetts Dieter Koepplin. Das erste Werk des Künstlers wurde 1968 erworben. Für das Vertrauensverhältnis sprechen viele Schenkungen, darunter auch eines der ikonischen „Flag-Paintings“. Daher besitzt das Kunstmuseum Basel mit sieben Gemälden und 224 Grafiken eine der bedeutendsten Jasper Johns-Sammlungen in Europa. Im ersten Obergeschoss des Neubaus ist dazu ein Fokusraum eingerichtet. Die Bildauswahl von Johns bewegt sich nahe am eigenen Puls, stark vom künstlerischen Empfinden ausgehend, weniger konzeptuell gesteuert, ist sie mit „fühlendem Auge“ zusammengestellt, wie Helfenstein es ausdrückt.

Als Auftakt der Sammlungstätigkeit hängt im ersten Raum eine Schülerzeichnung in kühner Gegenüberstellung zu einem Selbstporträt von Cézanne, dessen Werke zu den Schwerpunkten von Johns’ Sammlung zählen. Die Selbstdarstellung des anonymen Schülers ist der erste Erwerb des damals 21-jährigen Künstlers, der seiner ehemaligen Zeichenlehrerin Catherine Phillips Rembert einen Besuch abstattete und sich vom Selbstbildnis eines ihrer Eleven angesprochen fühlte. Die Wahl zeugt von Johns’ spezifischen Blick und Interesse an unkonventionellen Ausdrucksformen der Zeichnung.

Seine Sammlung, wie Johns betont „oft durch den Zufall gesteuert, umspannt ein zeitliches Spektrum von der französischen Kunst des späten 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, mit dem Fokus auf Körper und Porträt. Es geht ihm nicht um Trophäen, eher um subtile Untertöne des Mediums. Techniken und Herangehensweisen, Prozesse künstlerischer Erprobung bei Picasso, Variationen von Figuren bei Cézanne interessieren Johns, der den französischen Meister gemäss eigener Aussage so intensiv wie keinen anderen studierte. Der subjektive Blick spiegelt sich auch in Geschenken und Tauschobjekten von Freunden, die thematische Vorlieben aufscheinen lassen. Das Interesse an der Wahrnehmung von Bildwirklichkeit in mehreren Werken von René Magritte, den Johns noch persönlich kannte, findet Parallelen bei Johns. Die Badenden nicht nur bei Cézanne, auch bei Eric Fischl (*1948) tauchen in farbigen Ölskizzen auf Papier und in einer grossformatigen Kohlezeichnung auf. Eher weniger bekannt und zu entdecken sind skurrile Zeichnungen des Choreographen Merce Cunningham (1919-2009), Skizzen der „Mudman Performances“ von Kim Jones (*1944) oder die Bilder des tauben Autodidakten James Castle (1899-1977), der über Zeichnungen mit der Umwelt kommunizierte und sich Freunde aus Pappe bastelte.

Bei der Auswahl hatte das Kuratorenteam freie Hand, Johns gestattete gar Einblicke in die Inszenierung seines Kunstschatzes im privaten Wohnraum. Einige dieser Nachbarschaften, abgebildet im Katalog, dienten als Inspiration für die Basler Schau. Da hängt eine Notation von Morton Feldman neben einer Collage von Kurt Schwitters oder ein Männerakt von Larry Rivers (1923-2002) wird von zwei Zeichnungen flankiert, einer theatralischen Szene von Johann Heinrich Füssli und einer Handstudie von Käthe Kollwitz – Momente ganz wie zu Hause beim Künstler.