Elene Chantladze, As in a Melody or a Bird’s Nest: Traumartige Bildwelt

Elene Chantladze Kunsthalle Zürich
Elene Chantladze, o.T., o.J., courtesy the artist and LC Queisser, Tblissi
Review > Zürich > Kunsthalle Zürich
12. Dezember 2023
Text: Dietrich Roeschmann

Elene Chantladze, As in a Melody or a Bird’s Nest.
Kunsthalle Zürich, Limmatstr. 270, Zürich.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 21. Januar 2024.
www.kunsthallezurich.ch

Auf vielen Bildern von Elene Chantladze, die derzeit in der Kunsthalle Zürich zu sehen sind, bewegen sich die Menschen in einer Natur, die aussieht wie die Kulisse einer schlechten TV-Serie – alles ein Tick zu bunt, zu fröhlich, zu märchenhaft. Der Überschuss an Harmonie, diese lichte Atmosphäre, die sich wie mit dem Weichzeichner über alles legt, lassen die kleinen Formate manchmal bedrohlich vibrieren. Als bräuchte es viel Aufwand an Freundlichkeit und Poesie, um die Dunkelheit zu bannen, die hinter diesen Szenen zu lauern scheint – hinter den Liebespaaren im Park, den Familien beim Picknick, den Freundinnen und Nachbarn beim Tanzen, Lachen und Feiern zwischen Blumen auf der Dorfwiese. Tatsächlich berühren Chantladzes Bilder immer wieder auch Themen wie  häusliche Gewalt und arrangierte Ehen, Umweltzerstörung, Kinderrechte oder die Aggression des russischen Einmarsches in Südossetien.

Elene Chantladze, 1946 an der Schwarzmeerküs­te geboren, begann mit 17 zu malen. Erst auf Strandgut und Kieselsteinen, auf denen sie die Plots ihrer Lieblingsbücher in Bilder übersetzte, später dann, Ende der 1990er Jahre, auch auf Papier. Als 2012 ihre erste Ausstellung im Rahmen des Folklore-Festivals Art-Geni in Tskaltubo eröffnete, stand sie kurz vor der Rente. Für das Malen hatte die Autodidaktin bis dahin nur die Zeit aufwenden können, die ihr der Job als Pflegehelferin in psychiatrischen Kliniken und die Erziehung ihrer Töchter ließ. Seither verbringt sie jede freie Minute mit Stift und Papier, wie sie 2021 in einem Interview erzählte: „Ich brauche das Zeichnen wie ein durstiger Mensch Wasser braucht“. 

In Zürich sind nun rund 80 Bilder der Georgierin aus den letzten 20 Jahren zu sehen, dicht an dicht gehängt in einer langen Reihe, die einen in diese seltsam traumartige Bildwelt eintauchen lässt wie in einen Film. Die Unmittelbarkeit dieser Malerei ist bemerkenswert. Nicht zufällig wohl bezeichnet Chantladze das, was sie tut, gerne als „Freies Zeichnen“. Einige ihrer Bilder tragen diesen Begriff als Titel und lenken so den Blick darauf, wie sich hier jede Linie, jede Landschaft und Figurengruppe aus dem malerischen Prozess selbst ableitet. Chantladze nutzt, was ihr gerade zur Verfügung steht. Statt Leinwänden sind das Süßigkeitenverpackungen, Kalenderblätter, Sperrholzplatten oder Pappteller, auf denen sie mit Gouachefarben, Schmieröl und Säften von Beeren aus dem Garten abstrakte Hintergründe anlegt, mehr dem Zufall folgend als einem Plan. Inspiriert von diesen wolkigen Farbräumen, entwickelt sie dann mit Kugelschreiber und Farbstift das wunderbar großzügige Personal, das sich auf ihren Bildern tummelt.