Elisabeth Wild: Fantasías. Jeden Tag eine Collage

Elisabeth Wild, Haus konstruktiv
Elisabeth Wild, Installationsansicht im Museum Haus Konstruktiv, 2022, Foto: Stefan Altenburger
Review > Zürich > Museum Haus Konstruktiv
13. September 2022
Text: Dietrich Roeschmann

Elisabeth Wild: Fantasías.
Museum Haus Konstruktiv, Selnaustr. 25, Zürich.
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr, Mittwoch 11.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 15. Januar 2023.

www.hauskonstruktiv.ch

Elisabteh Wild, Ohne Titel, Collage auf Papier, 31 x 25 cm, Foto: © Ed Mumford
Elisabteh Wild, Ohne Titel, 2006, Collage auf Papier, 37 x 27.5 cm, Foto: © Ed Mumford
Elisabteh Wild, Ohne Titel, 2019, Collage auf Papier, 23 x 16.5 cm, Foto: © Ed Mumford

Wenn sich Elisabeth Wild mit Schere und Leim in der Hand in Zeitschriften auf die Suche nach Material für ihre „Fantasías“ machte, wie sie ihre Collagen nannte, blieb ihr Blick selten an Körpern oder an Dingen des täglichen Lebens hängen. Was sie interessierte, waren modernistische Architektur oder plastische Formen wie Röhren und Pyramiden; waren Texturen und Muster von Geweben über Holzmaserungen bis zur wilden Marmorierung geschliffenen Gesteins. Ausgehend von reduzierten Motiven wie einer kühlen Raumansicht oder dem Farbverlauf eines Himmels kurz vor der Dämmerung, die ihr als Hintergund dienten, entwickelte Wild dann Element für Element und mit großem Gespür für Farbe und Raum atemberaubend verschachtelte Fantasiewelten. Erst bei genauem Hinsehen erweisen sich die grellbunten Farbflächen als Fotofragmente von Küchenschrankfronten, Betonbarrieren oder Jalousien, unterlegt mit hart beschnittenen Kachelfriesen oder Pattern von Webteppichen. Die symmetrische Formensprache und die große Lust an der Oberfläche erinnern dabei oft an die Designs der Mailänder Memphis Group.

Im Zürcher Museum Haus Konstruktiv sind derzeit 180 dieser ungewöhnlichen Collagen zu sehen. Einen umfassenderen musealen Überblick über das kaum bekannte Werk der 2020 verstorbenen Künstlerin gab es bislang noch nicht. In den Fokus der Kunstöffentlichkeit rückte sie erst 2017 an der Documenta 14, zu der Adam Szymczyk sie mit ihrer Tochter, der Basler Malerin Vivian Suter (*1949) eingeladen hatte. Beide lebten zu dieser Zeit schon lange in Guatemala, am Ufer des Lago de Atitlán, auf einer ehemaligen Kaffeeplantage, die sie sich als Atelier hergerichtet hatten, um Kunst zu machen. Nicht für Galerien oder für den Markt, sondern einfach so, für sich und ihre Hunde und die Natur, die Suter bis heute gerne an ihren Bildern mitarbeiten lässt. Elisabeth Wild war fast 80, als sie begann, sich ganz ihrer künstlerischen Arbeit zu widmen. 1922 in Wien geboren, war sie mit ihrem jüdischen Vater und ihrer katholischen Mutter 1938 vor den Nazis nach Buenos Aires geflohen, hatte dort Malerei studiert und als Textildesignerin gearbeitet. Als die politische Rechte in Argentinien an die Macht kam, kehrte Wild mit Vivian und ihrem Mann, einem Schweizer Textilunternehmer, nach Europa zurück und eröffnete in Basel ein Antiquitätengeschäft, das sie mehr als drei Jahrzehnte führte. Mitte der Neunziger entschloss sie sich dann, zu ihrer Tochter nach Mittelamerika zu ziehen, die der Basler Kunstszene bereits in den frühen Achtzigern den Rücken gekehrt hatte, und begann nahezu täglich eine Collage fertigzustellen. Statt in chronologischer Folge präsentiert die Zürcher Schau eine Auswahl dieser Blätter in leuchtend farbigen Räumen in assoziativer Hängung, was Wilds ungemein spielerischen Umgang mit ihrem Material  auf schöne Weise gerecht wird.