Jordan Wolfson: Das ist sein Haus

Jordan Wolfson, Raspberry Poser, 2012, Installationsansicht Kunsthaus Bregenz, Foto: Markus Tretter, Courtesy Jordan Wolfson Studio und The George Economou Collection, © Jordan Wolfson, Kunsthaus Bregenz
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14. September 2022
Text: Annette Hoffmann

Jordan Wolfson.
Kunsthaus Bregenz, Karl Tizian Platz, Bregenz.
Montag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 9. Oktober 2022.
www.kunsthaus-bregenz.at

Jordan Wolfson, ARTISTS FRIENDS RACISTS, 2020, Installationsansicht Kunsthaus Bregenz, Foto: Markus Tretter, Courtesy Jordan Wolfson Studio und The George Economou Collection, © Jordan Wolfson, Kunsthaus Bregenz
Jordan Wolfson, Female Figure, 2014., Installationsansicht Kunsthaus Bregenz, Foto: Markus Tretter, Courtesy Jordan Wolfson Studio und The George Economou Collection, © Jordan Wolfson, Kunsthaus Bregenz

Wenn es stimmt, dass Jordan Wolfson (*1980) ein eher ängstlicher Mensch ist, dann lässt er großzügig an seinen Gefühlen teilhaben. Denn wurden Sie schon einmal aus feindseligen schwarzen Augen angesehen, die aus einer dunkelgrünen Hexenmaske starren und über einen Spiegel Blickkontakt suchen? Dass sie zu einem Roboter gehören, entspannt kein bisschen, denn wer weiß, zu was die Maschine befähigt wurde. Seit Wolfson vor einigen Jahren nach Los Angeles gezogen ist und regelmäßig mit Animatronikern zusammenarbeitet, sind seine Skulpturen auf technisch aktuellem Stand. Das beeindruckt selbst dann noch, wenn sie wie „Female Figure“ knapp zehn Jahre alt sind. Die Skulptur, die durch einen Stab mit der weitgehend verspiegelten Wand verbunden ist und den Betrachtern den Rücken zukehrt, wurde mit Gesichtserkennungssoftware ausgestattet. Nähert man sich ihr in der dritten Etage des Kunsthaus Bregenz, beginnt sie zu tanzen und einen zu fixieren.

„Female Figure“ ist eine Roboter gewordene Sexphantasie: platinblonde Haare bis zum Hintern, der vom weißen Negligé kaum bedeckt ist, straffe Brüste, Overkneestiefel und weiße lange Handschuhe. Gut, die grüne Halbmaske mit Warzen und langer Nase ist eine andere Kategorie wie auch die dunklen Flecken, die Wolfsons Puppen oft so ramponiert aussehen lassen. Doch die Figur bewegt sich derart geschmeidig und lasziv als sei ihr ganzes Leben ein Tabledance. „My mother is dead. My father is dead. I’m gay. I’d like to be a poet. This is my house“: Wolfson leiht „Female Figure“ für diese Sätze seine eigene Stimme. Doch, was davon überhaupt wahr ist, darf man sich aussuchen. Der Künstler jedenfalls hat erheblichen Redebedarf. Die Besucherinnen und Besucher in Bregenz empfängt im Foyer ein Text von Jordan Wolfson, in dem er auch über „Female Figure“ schreibt. „Ich habe über die Idee nachgedacht, mich als Autor einer Fiktion zu sehen, in der das, von dem die Skulptur sagt, dass es wahr ist, nicht wahr ist – nicht ich bin. Aber natürlich ist es wahr und bin ich es.“ Tatsächlich fühlt man sich in der Einzelschau des Amerikaners, die Teil des Jubiläumprogramms zum 25-jährigen Bestehen des Kunsthaus Bregenz ist, ein bisschen wie bei ihm zu Gast.

Das schließt einige Zumutungen ein. Denn Wolfson ist selbst der Trickster, mit dem er sich in Romanen und Filmen identifiziert. Ebenfalls im Foyer begrüßt die Arbeit „Animation, mask“ mit antisemitischen Stereotypen, während die aktuellen Wandobjekte oftmals einen Davidstern aufweisen. Und wenn überhaupt Haus, dann wohl eines wie „Home with Face“, das an der Wand im Foyer montiert

ist und uns das Dach als zähnefletschende, gepiercte Grimasse zuwendet. In „Raspberry Poser“ hat das Unheimliche ein niedlich-infantiles Gesicht. Die Comicfigur leitet durch die Videoarbeit, die reale Straßenszenen mit Animationen verbindet und in der der Künstler selbst einen Auftritt als Skin in Paris hat. Man muss auf das Entstehungsjahr 2012 schauen, ansonsten hält man die Virusmodelle, die in Einrichtungshäusern umherspringen und über die Straßen New Yorks hüpfen für eine Visualisierung von Corona. Doch es ist das HI-Virus, das aus einem mit roten Blutkörperchen gefüllten Kondom in die Welt gelassen wird. Der Raspberry Poser verliert zu Songs von Lady Gaga und Paul Simon zunehmend die Contenance und hat sich gleich zu Beginn des Videos vor einem La Perla-Laden den Bauch aufgeschlitzt. Distanz kennt die Kunst Jordan Wolfsons nicht.

Seine Ausstellung in Bregenz wirkt wie eine frühe Retrospektive, doch „ARTISTS FRIENDS RACISTS“ und einige Wandobjekte sind in den letzten beiden Jahren unter dem Eindruck der Krise entstanden. Während die Wandarbeiten analoge dreidimensionale Collagen sind, die unter einem angedeuteten Pappdach das Foto einer Geisha mit Werbung für Pizza verbinden, entstehen in „ARTISTS FRIENDS RACISTS“ über Ventilatoren Hologramme, die einander schnell ablösen: Zahlen, Fotos aus dem Netz, Werkzeuge und Davidsterne, die mit Händen von Comicfiguren ausgestattet sind. Die Populär-Kultur ist Spiegel von Ängsten und auch ein bisschen Grund, sich zu fürchten.