Dóra Maurer: Grande Dame der geometrischen Abstraktion

Dóra Maurer, Minimal Movements – Shifts, 1970-2020, Ausstellungsansicht Museum Haus Konstruktiv, Zürich, Foto: Stefan Altenburger
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27. Juli 2021
Text: Dietrich Roeschmann

Dóra Maurer: Minimal Movements, Shifts
Museum Haus Konstruktiv, Selnaustr. 25, Zürich.
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr, Mittwoch 11.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 12. September 2021.
www.hauskonstruktiv.ch

Dóra Maurer, Seven Twists I-VI, 1979/2011, 6 parts (here part II), Collection Zsolt Somlói and Katalin Spengler © Dóra Maurer

Wie aus dem Nichts erscheinen im abgedunkelten Raum Hände auf der Wand und beginnen, Leintücher zu falten. Acht Bewegungen in acht Bildausschnitten, die zusammen den Screen ergeben. Wie von Zauberhand fügen sie sich zu immer neuen Konstellationen, schwebend leicht und weich, während dazu leise die Lüftung des Beamers rauscht, der eine Digitalversion des alten 16mm-Films projiziert. „Timing“ lautet der Titel dieser poetischen Schwarz-Weiß-Montage von Dóra Maurer aus dem Jahr 1973, die jetzt in ihrer Werkschau „Minimal Movements, Shifts“ im Zürcher Museum Haus Konstruktiv zu sehen ist. Sie scheint zu bestätigen, was Maurer, die Grande Dame der geometrischen Abstraktion in Ungarn, von sich selbst sagt: „Nun, eine dogmatisch nach konstruktiv-konkreten Prinzipien arbeitende Künstlerin bin ich sicher nicht.“ Tatsächlich muss man die Schublade der Konkreten Kunst schon sehr weit aufziehen, damit die heute 84-Jährige darin ihren Platz findet. Berücksichtigt man allerdings, dass selbst ein sanft über die Wand wehendes Bildgedicht wie „Timing“ bei ihr durch und durch auf Mathematik beruht, ist sie dort dennoch gut aufgehoben. Das Filmskript gibt präzise vor: Das Leintuch wird gefaltet, insgesamt sieben Mal, und dabei jedes Mal durch einen Faltvorgang ergänzt. Das so entstehende Raster entspricht dem Projektionsformat eines 16mm-Films, dessen Lichtfeld an der Wand bei der Vorführung exakt so breit sein soll wie die Länge der ausgestreckten Arme Dóra Maurers.

Auch ansonsten ist die Künstlerin gerne anwesend in ihren Arbeiten. Für die Fotoserie „What Can One Do with a Paving Stone?“ (1971) etwa lichtete sie sich beim Umarmen, Streicheln und Wärmen eines Pflas­tersteins ab. In der Serie „Reversible Changeable Phases of Movements“ (1972) dient ihr der Körper als Medium der Dekonstruktion beiläufiger Gesten. Und auch später sortiert sich unter ihrem Blick die Welt zu eigenwilligen Ordnungen, flankiert von Entwicklungsdiagrammen aus bemalten Zweigen, meridianartigen Körperlinien oder Serien sukzessive ausbleichender Druckgraphiken. Das Interesse an der Zeitlichkeit des bewegten Bildes, das in der Prozesshaftigkeit dieser Arbeiten sichtbar wird, bestimmt bis heute Maurers Werk. Viele ihrer stark farbigen, abstrakten Malereien der vergangenen zwei Jahrzehnte wirken wie Filmstills von sich überlappenden, halbtransparenten Farbfeldern, die über die Wände mäandern oder sich in den Raum schälen. Erstmals reallisiert hat Dóra Maurer diese Engführung von Film, Malerei und Bewegung übrigens in einer hypnotischen, halbstündigen Tanzperformance mit Kamera in einem vollständig ausgemalten Studio. „Space Painting, Buchberg“ (1981) bildet gewissermaßen das versteckte Herz dieser sehenswerten Schau.