Not Me – A Journey with Not Vital: Dem inneren Kompass nach

Pascal Hofmann, Not Me – A Journey With Not Vital, 2020, Filmstill, Courtesy the artist, © Reck Filmproduktion
Thema
26. Juli 2021
Text: Annette Hoffmann

Not Vital. A Journey with Not Vital. Regie: Pascal Hofmann, CH 2020, 78 Min.
Weitere Infos unter www.reckfilm.ch

Pascal Hofmann, Not Me – A Journey With Not Vital, 2020, Filmstill, Courtesy the artist, © Reck Filmproduktion
Pascal Hofmann, Not Me – A Journey With Not Vital, 2020, Filmstill, Courtesy the artist, © Reck Filmproduktion

In Pascal Hofmanns Film „Not me“ liegt in Sent verlässlich Schnee. Die Berge sind mal grau, mal weiß, so wie es Not Vital (*1948) beschreibt. Dem Kind, das Not Vital früher mal war, ist diese Landschaft zu Eigen: die Bachläufe, die Lichtungen, an den Bergen kann man sich abarbeiten. Sind sie eine Grenze oder stiften sie gar Gemeinschaft? Manchmal kommt ein Berg herunter, manchmal sieht man den Jungen, wie er die Nähe zu einem Fuchswelpen sucht. „Das Engadin, das geht unter die Haut“, sagt der Künstler einmal in dem gut 80-minütigen Film. Er wird im Film die ganze Zeit konsequent Rätoromanisch sprechen. Der Regisseur Pascal Hofmann, der 1977 in Flims geboren wurde, ist wie Not Vital auch im Angesicht dieses Gebirges groß geworden. 1977 ‒ da lebte Not Vital bereits seit drei Jahren in New York.

Der Titel „Not me“ spielt mit dem Namen des rätoromanischen Weltkünstlers, aber auch mit der Fiktion, dass ein Dokumentarfilm Objektivität gegenüber seinem Sujet wahren kann. Das kann er nicht. Schon in Hofmanns Debüt, seiner Abschlussarbeit an der ZHdK, „Daniel Schmid – Le chat qui pense“ ging es ihm um diese Beziehung. Dass in diese Reise mit Not Vital auch einiges aus der eigenen Kindheit fließt und dass der Bildhauer für ihn im Laufe der Dreharbeiten auch eine Projektionsfläche wird, ist ihm klar. 2020 hatte „Not me“ auf dem Zurich Film Festival Premiere, jetzt im Sommer kommt er in die Kinos.

In Sent, so sagt Not Vital einmal in diesem Film, weiß man, dass man in die Fremde muss, um zu überleben. Das kindliche Alter Ego scheint dies, während es im Dorf heimisch wird, bereits zu ahnen. Immer wieder sieht man in seinem Buch Landschaften projiziert, in die es Not Vital ziehen wird: Meere, Wüsten, durch die Kamele schaukeln. Seine Kunst ist von diesen Ländern beeinflusst und so sehen wir, wie sie in Zusammenarbeit mit lokalen Werkstätten entsteht. „Not me“ wurde in Peking, Ägypten, Patagonien und Sent gedreht. Überall baut Not Vital Häuser und dies obwohl er ein rastloser Reisender ist. In Niger entstehen Lehmbauten, eine Koranschule, aber auch ein Haus, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Doch in Sent bleibt er heimisch, hier kauft er sich ein Schloss und wohnt seinem Elternhaus. Überhaupt scheint die Liebe zum Bauen in die Landschaft seiner Kindheit zurückzuführen, in der man sich behausen muss, um in der Natur leben zu können. Hofmann inszeniert den Künstler als einen Flaneur, den der Schreck treffen kann. So erzählt Not Vital, wie er sich einmal im Souk in Kairo verirrte und unversehens der Schlachtung eines Kamels beiwohnte. Seitdem ist das Kamel ein wiederkehrendes Motiv in seinem Werk. In Peking lässt Hofmann Not Vital mit einem dieser Kamelköpfe durch die nächtlichen Gassen ziehen. Es wirkt ein bisschen prätentiös, sehr rätselhaft, einsam und so, als ob es ein Junge in Sent geträumt hat. Wer sich hier an sonderbare Situationen verliert, sei dahingestellt.