Touch. Prints by Kiki Smith.
Pinakothek der Moderne, Barer Str. 30, München.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 26. Mai 2019.
Was diese Künstlerpersönlichkeit zuallererst auszeichnet, ist ihre flirrende Vielseitigkeit und ihre unerschöpfliche Experimentierfreude. Ob Grafik, Malerei, Plastik oder Tapisserie – Kiki Smith, Tochter des Bildhauers Tony Smith setzt sich so grundlegend mit den eigenen handwerklichen Techniken auseinander, dass ihr Werk in ihrer eigenen Beschreibung als ein endloser Lernprozess erscheint.
Jetzt kann sich München freuen, dass die New Yorker Künstlerin die Stadt als Ort für einen wesentlichen Teil ihres künstlerischen Vermächtnisses gewählt hat. Smith, die 1954 in Nürnberg auf die Welt kam, hat der Graphischen Sammlung über 800 Blätter ihres druckgrafischen Oeuvres aus allen Schaffensphasen seit 1985 geschenkt – Lithografien, Radierungen, Holzschnitte, Linol- und sogar Kartoffeldrucke. Unter dem Titel „Touch. Prints by Kiki Smith“ präsentiert die Graphische Sammlung nun eine Auswahl mit rund 160 Exponaten in ihren Schauräumen in der Pinakothek der Moderne.
Und die Schenkung geht weiter. Von jeder weiteren Druckgrafik wird sie ein Exemplar an die Graphische Sammlung geben. Warum München? „Ich bin gerne hier, von allen Städten in Europa verbringe ich hier am meisten Zeit“, so Kiki Smith. Nicht zuletzt, weil sich hier ihre langjährige Galeristin Barbara Gross und die Mayer’sche Hofkunstanstalt findet, mit der sie viele ihrer Arbeiten realisiert. Und auch die Ausstellungen vieler US-amerikanischer Künstler in der Graphischen Sammlung unter dem ehemaligen Direktor Michael Semff zogen Smith stets an: „Gerade das grafische Werk kann man in den USA selten in dieser Fülle sehen“.
Jetzt kann man in München ihr Schaffen umfassend bestaunen. In vier Kapiteln fasst die Ausstellung Kiki Smiths Kunst zusammen: Gleich am Anfang, im Vitrinengang, geht’s ums Ganze, man durchschreitet „Die Welt zwischen Leben und Tod“. Darin ist das Mappenwerk „Mortal“ von 2007 zu sehen, für das sie ihre sterbende Mutter porträtierte. Und zugleich „Immortal“ (1998), Bilder von präparierten Tieren – Affen, Vögel und ihre eigene tote Katze. Oft wirken diese Tiere dabei auf seltsame Weise noch lebendig, aber die Prämisse ist, das Unsterbliche kann man nicht sehen.
Der am feierlichsten inszenierte Raum ist der „Welt des menschlichen Körpers“ gewidmet, der bei Kiki Smith eine zentrale Rolle spielt. Doch das ist ziemlich ganzheitlich zu verstehen, es schließt Mikro- und Makrokosmos ein: Sich teilende Zellen, Gedärm und Genitalien, aber auch die Monde des Jupiter. Und Pflanzen gehören ebenfalls dazu – etwa in „Touch“ (2006), wiederum eine Hommage an die Mutter. Die Vierfarben-Aquatinta-Radierung hält die Blumen auf ihrem Grab fest. Es sind sehr persönliche und eindringliche Vanitas-Bilder, farblich subtil und formal hoch konzentriert.
Der Raum nebenan lebt vom Gegensatz. In einem durchbrochenen White Cube flattern Schmetterlinge, blühen Blumen und funkeln Kristalle und glitzern Sterne. Hier kommt Kiki Smiths märchenhafte Seite zur Geltung. Der große Saal schließlich ist mit „Lebenslauf – Werklauf“ überschrieben. Man begegnet mehrfach der Künstlerin selbst: Für „Sueño“ (1992) hat sie sich auf die Druckplatte gelegt und ihre Konturen mit Muskelfasern gefüllt – ein Selbstporträt als Anatomiezeichnung. Und „My Blue Lake“ (1995), eine irritierend brillante Photogravüre ist ein Rundum-Porträt im Wortsinn. Kiki Smiths Experimentierlust auch bei der Kombination verschiedener Materialien und Techniken lässt sich hier am besten beobachten. „Pool of Tears II“ etwa, nach Lewis Carroll, schließt mehrere Radiertechniken inklusive Aquarellierung ein, deren Finesse in diesem Großformat seinesgleichen sucht. Für eine ewig lernende Künstlerin ist jedes einzeln Blatt in dieser ausdrucksstarken Präsentation ziemlich vollkommen.