Die Insel der Dachhasen

Review > München > Lothringer 13 Halle
16. August 2018
Text: Christoph Sehl

Die Insel der Dachhasen.
Lothringer 13 / Halle, Lothringerstr. 13, München.
Bis 16. September 2018.

www.lothringer13.de

Wie von der Realität abgeschnitten betritt man in der Lothringer 13 Halle derzeit „Die Insel der Dachhasen”, auf der ein feiner, ins Zauberhafte hinüberwehender Ton herrscht. Er ist auf diese eigenartige Weise gestimmt, auf die uns schon der Name der Insel verweist – Dachhasen sind Tiere, denen noch im Tod ihre wirkliche Bezeichnung verweigert wird– streunende Katzen also, die aus Mangel an echten Hasen einen Weg in die Küche finden, um für ein Festessen hergerichtet zu werden. Euphemismus? Nein, eine abweichende Wirklichkeit, die mit dem Schein des Schönen umgeben wird, eine tief melancholische Geste, die in der traurigen Not eine immer auch seltsame verstellte Heiterkeit miteinschließt.

Sicher ist es die Begegnung zweier unterschiedlicher Künstler, Tomoya Kato (1984) und Martin Fengel (1964), die zu dieser Stimmung beiträgt; auch ist es die Bruchlinie, die diese Begegnung markiert. Martin Fengel, der Fotograf, beschäftigt sich mit Vorgefundenem aus einer anderen Welt: Japan, in das er vor einiger Zeit gereist ist. Tomoya Kato ist der Erfinder einer Welt oder besser vieler Welten, die er von Japan mit nach München gebracht hat und dort weiter erfunden hat, weiter gemalt hat, in Bildern, die gerahmt an den Wänden hängen, und vor allem im Bemalen der Wände selbst. Zart nur, wie dünne Chiffren, bunt, aber auch die Farben zart, tauchen die Gestalten, Figuren, Phantome, auch Katzen und Hasen aus Katos Welten in den Ausstellungsräumen auf, überall, auch dort, wo man sie nicht vermutet. Die Wände werden bevölkert, auch von Formen, manchmal nur Striche, senkrechte, geschwungene, wie Wellen, aber nicht flächendeckend, zaghaft treten sie in Erscheinung, als könnten sie gleich wieder verschwinden und erzeugen dabei eine Unzahl märchenhafter Geschichten. Geht man mit diesen zu weit, will man wirklich einen Anfang oder ein Ende einer solchen Geschichte wissen, verschwinden sie, gleiten ab und zurück in die Malerei, bleiben stumm, nur Farbe, Linie, Fläche. Diese Welten hören dort auf, wo sie Text werden könnten.

Martin Fengel hält am Gesehenen fest und bleibt da konkret, vielleicht mehr als konkret, weil er es zuspitzt, die Dinge aus ihrer Umgebung steigen lässt, er schneidet sie aus ihrem Kontext, heilige Steine, Fratzen, Gesichter von Figuren aus einer verfallenen Spielzeugwelt, klebt sie wie Scherenschnitte an die Wand, baut bewegliche Mobiles und hängt sie in die Räume. Aber auch da, wo er an rechteckigen Fotoabzügen festhält, treten das Konkrete, die Gegenstände in den Vordergrund, Blumen und Globen und darin eben die ganze Welt, die zurückfällt in das sie abbildende, kartografierende Objekt, das von ihr gemacht wird – das Ganze ist immer nur Konstruktion und fließt hinüber ins unbegrenzt Unendliche.

Im Eingangsbereich hängt ein groß aufgezogenes Foto der beiden. Fengel zeigt mit einem Finger auf den Boden, Kato in die Luft, und es erscheint verloren, wie sie da herumstehen, erratisch zu ihrer Umgebung – irgendeinem bayerischen Dorf – auch erratisch zueinander. Im Verweben ihrer Bilderwelten taucht an der Horizontlinie doch wieder etwas auf, was man für Realität halten könnte, Namen, Spiele, Wirklichkeiten, wie sie sich im und außerhalb des Kopfes befinden.