Carolin Jörg

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17. August 2018
Text: Fiona Hesse

Carolin Jörg.
Städtische Galerie Offenburg, Amand-Goegg-Str. 2, Offenburg.
Bis 7. Oktober 2018.

www.galerie-offenburg.de

Kaum hat man den ersten Raum betreten, ergießt sich comicartiges Gelächter über die Wand – bei genauerer Betrachtung gibt sich das vielstimmige „HAHAHA“ als Ansammlung dünner, unterschiedlich großer und vor allem tonloser Papierstreifen zu erkennen. Um Nägel herumgewickelt ergeben sie die Außenränder fragiler Buchstaben, die mit Bedacht an genau diese Stelle der Wand platziert wurden. Dieses „Abwägen zwischen Fläche und Format“, wie Carolin Jörg (*1977) es selber beschreibt, lässt sich in dieser Ausstellung auch in ihren zahlreichen groß- wie kleinformatigen Werken auf Papier erkennen.

Diese Tuschearbeiten sind mitunter von morbidem, organischen Charakter, dünn lasiert aufgetragen und so in ihrer Wirkung eher wie zarte Aquarelle, denn Zeichnungen. Die Motive scheinen der Natur entlehnt – runde Formen, die an Fischeier oder Pusteblumen erinnern, herumwuselnde Ameisen oder amorphe Schlammhaufen. Oft mit „o.T.“ bezeichnet, bestätigen Untertitel wie „Fischalgen“, „Ameisenflucht“ oder „Katzenaugen“ diesen Eindruck.

Was in Offenburg unter der Gattung „Zeichnung“ verbucht wird, ist breit gefächert: Die Wandinstallation „Konstruktion“ von 2018 beispielsweise lässt eine von Hochhäusern dominierte urbane Skyline erkennen, deren klaren, modernen und fast schon futuristischen Formen durch scheinbar nachlässig geknüpfte Fäden gebrochen werden. Im vorletzten Raum vermischen sich einmal mehr ganz selbstverständlich die Grenzen zu anderen Kunstgattungen. In ihrem experimentellen Media-Projekt „Der zweite Blick“ aus dem Jahr 2015 erweckt die Künstlerin mithilfe von Tablets oder Smartphones die Bilder zum Leben und unterlegt sie mit elektronischen Sounds und lyrischen Versatzstücken. Auch in diesen Animationen findet sich ein organisches Fließen, Entwickeln, sich Aufspalten, das auf natürliche Prozesse wie Zellteilung, Regen oder Überwuchern hinweist und doch digital belebt wurde. Die von Marie-Alice Schultz geschriebenen und mit sanfter Stimme gesprochenen Texte wirken dabei wie zufällig entwickelt. Ihr expliziter Bezug zu gesellschaftspolitischen Themen, zu Naturwissenschaften oder Lebensweisheiten, die in Begriffen wie „entlegener Inselstaaten“, „Kontinentaldrift“ oder „Überzeugungen geraten in Stürme“ anklingt, lässt allerdings kreatives Kalkül dahinter vermuten.

Überhaupt liegt Carolin Jörgs Arbeiten viel Bewusstes zugrunde. Laut eigener Aussage solle die Hand der Künstlerin nicht mehr spürbar, vielmehr solle die Form „lebendig, organisch und dann auch abstrakt“ sein. Dabei meint sie mit Abstraktion eher eine Reduktion, die auch in der Einfachheit der verwendeten Materialien erkennbar ist: Papier, Bindfäden, Nägel, Tusche, Tinte. Scheinbar leichthändig werden aus diesen Zutaten Kunstwerke, die sich mal zu dreidimensionalen Wandinstallationen verbinden, mal zu Objekten verflechten oder die Grenze zwischen Zeichnung und Malerei bis hin zur Auflösung mühelos infrage stellen.