Stephan Dillemuth: Arge Wege zur Erkenntnis

Review > München > Städtische Galerie im Lenbachhaus
23. Juni 2018
Text: Roberta De Righi

Stephan Dillemuth: Regulär 10 Euro, ermäßigt 5.
Lenbachhaus, Luisenstr. 33, München.
Dienstag 10.00 bis 21.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 9. September 2018.

www.lenbachhaus.de

Für Stephan Dillemuth diene Bayern als „biografische und historische Reibungsfläche“, schreibt das Lenbachhaus über den Maler und Professor für Kunstpädagogik an der Münchner Akademie für Bildende Künste, dem es jetzt eine Werkschau mit dem eher pragmatischen Titel „Regulär 10 Euro, ermäßigt 5“ widmet. Bayern und seine Mythen sind darin durchaus Thema, wenn auch nicht das einzige.

Der Wahl-Bayer Dillemuth, 1954 in Hessen geboren, begann Ende der 1970er Jahre zu malen. Dementsprechend neoexpressiv rotzig ist der Pinselstrich, wenn er Postkarten-Motive wie „Bayernbub“ oder „Bayernpaar“, beide von 1979, auf die Leinwand bringt. Und im Remake der Schönheiten-Galerie von Ludwig I. (1985) sind weder die guten Stuben noch der weißblaue Himmel so makellos wie in den 38 Originalen. Einige der königlichen Beauties sehen gar aus wie geschminkte Männer.

Aber Dillemuth ist auch Bildhauer und Installationskünstler. Weil München immer schon schön und schrecklich zugleich war, und das kein anderer besser beschrieben hat als Lion Feuchtwanger in „Erfolg“, gestaltet Dillemuth einen Raum als „Erfolg“-Hommage (2007), inklusive der Materialisierung dreier Gemälde, die darin eine Rolle spielen, darunter „Entarteter Kruzifixus“.

In seiner eigenen Hassliebe zur Zufallsheimat hat Dillemuth (alias Werner von Delmont) auch den Begriff des „Corporate Rokoko“ gefunden: Quasi der Zustand fortgeschrittenen Wohlstands-Wahnsinns, der zwischen Laptop und Lederhose wabert. Sein Unbehagen an der „Mia-san-mia“-Variante des Turbokapitalismus manifestiert sich in einem mit Spiegelfolie verkleidetem Raum, in dem nicht nur ein Pasticcio der „Venus von Urbino“ hängt, sondern zudem einige wie versehrt wirkende Material-Collagen aus alten Straßenlaternen, Gips-Torsi und Scherben billiger Chinavasen stehen. Darüber hinaus bevölkert eine Heerschar von käferartigen, kopflosen Wolpertingern die Ausstellungsräume: „Critters & Creatures“, mit Zahnrad-Corpus und Rehbeinen.

Ebenso oft wie das Zahnrad taucht das Motiv der Ziege auf, wahlweise als Zicklein wie im „Brunnen“. Gleich am Beginn des Parcours etwa steht eine Ziege vor dem Fernseher. Darin läuft ein Video, in dem der Maler zugleich Gefangener ist und wie getrieben sein Werk verrichtet – Titel: „Der arge Weg zur Erkenntnis“. Fragt sich, wer mehr zu bedauern ist – der schuftende Schöpfer oder die Ziege, die sich das anschauen muss. In ihrem liebenswürdigen Unverständnis gegenüber der Komplexität der Welt ist sie auf jeden Fall Sympathieträger. Doch die Endlosschleife der Selbsterkenntnis wird zum Teufelskreis, und dem entkommt Dillemuth mit seiner Kunst nicht, auch wenn er Perücken explodieren („Berücke Perlin“, 2009) lässt und den männlichen Maler ironisch-kritisch zum Gucklock-Objekt („Sublimierung & Auslöschung“, 2018) macht.

Was auch sein kann, dass man den Künstler einfach nicht verstanden hat. Gelungene Kommunikation sei ja, so Lenbachhaus-Direktor Matthias Mühling bei der Pressekonferenz, der Sonderfall. Darum versendet sich wohl auch die sogenannte „Arecibo-Message“ im All, die 1974 im binären Code vom Radioteleskop in Arecibo, Puerto Rico, in den 25.000 Lichtjahre entfernten Kugelsternhaufen M13 geschickt wurde. Erstens hat man sich bei der Zielberechnung vertan und zweitens ist grundsätzlich fragwürdig, ob eine möglicherweise vorhandene, außerirdische Intelligenz unser Gefunke versteht. Stephan Dillemuth ließ sich davon zu einer Installation inspirieren, bei der eine Glühbirne die Arecibo-Botschaft auf einen Kreis aus Nudeln morst. Die verstehen zwar Bahnhof, aber eins ist klar wie Kloßbrühe: Wir sind hier die Spaghetti.