Douglas Coupland, Bit Rot: Die K-Frage

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24. Oktober 2016
Text: Roberta De Righi

Douglas Coupland: Bit Rot.
Museum Villa StuckPrinzregentenstr. 60, München.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Freitag 10.00 bis 21.00 Uhr.
Bis 8. Januar 2017.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen: Witte de With Publishers,Rotterdam 2015, 200 S., 20 Euro | ca. 29.95 Franken.
www.villastuck.de

 „Ist es Kunst? Ja und Nein.“ Ausnahmsweise stellt hier der Künstler selbst die K-Frage. In diesem Fall der hierzulande vor allem als Autor von „Generation X“ bekannte Douglas Coupland (*1961). Sein Kunstwerk „Is it Art? Yes and No“ besteht aus drei verschieden großen Leinwänden, die in Kopie einen Zeitungstext mit Abbildungen von Roy Lichtenstein, Andy Warhol und Jasper Johns zeigen. Das ubiquitäre Reproduktions-Prinzip der Pop-Art wird hier konsequent fortgeführt und auf den Punkt gebracht. Aber es gibt keine Antwort.

Zu sehen ist die Dreifach-Frage jetzt in der Münchner Villa Stuck: „Bit Rot“ hat Douglas Coupland seine Soloschau genannt, die – mit vielen Dots und Pixeln – um alles und nichts kreist. Die Schau ist eine Übernahme vom Witte de With Museum in Rotterdam. Titelgebend ist das Phänomen des schleichenden Datenverfalls, vor dem in der schönen neuen Cyber-Welt nichts sicher ist. Der Bestseller-Autor gibt darin nicht nur Einblicke in seine Kunstsammlung: Zwischen Werken von Robert Indiana, Robert Rauschenberg, James Rosenquist und Jenny Holzer findet man darüber hinaus einiges an vorgefundenem Bildmaterial – und eigene Arbeiten, denn Coupland hat Kunst studiert. Wobei der Warhol-Verehrer allerdings nie als Schöpfergenie auftritt, sondern stets als – geistreich-kritischer und versierter – Adept tätig wird. Das ist mitunter amüsant und pointiert kombiniert: Etwa eine Warhol-Perücke hinter Glas, die Coupland in Serie schuf, neben einer Version des „Tuna Fish Disaster“ und Adrien Gouets Meereslandschaft. Es verwundert auch nicht, dass es ihm die von Einschüssen verbeulten Schilder angetan haben, die Robert Rauschenberg einst aufgehoben hat. Manchmal wirkt es jedoch eher postpubertär wie die Material-Collagen „Skate Marylin“ und „Pi to 500 Digits“. Gleich zu Beginn der Schau stößt man auf die „Slogans for the Twenty-first Century“, die formal Jenny Holzer huldigen und inhaltlich versuchen, den Zeitgeist zu fassen mit Feststellungen wie „Fate is for losers“ und „The future feels like homework“. Wer sich darin nicht wiederfindet, kann es bei den Blechwimpeln gegenüber versuchen: „Life sucks“.

Es bleibt nicht so textlastig. Coupland inszeniert auch Foto-Tableaux, etwa „Columbine Cafeteria“ von 2003, das die Cafeteria einer High School zeigen soll – nach dem Amoklauf. Ein unnötiges Bild. Klar, sein Thema sind die Schattenseiten der USA, ob Waffenfetischismus, Überwachungswahn oder Konsum-Totalitarismus. Die Wand in Petersburger Hängung  im Obergeschoss zeigt sein Aufmerksamkeits-Beuteraster am besten: Motivisch dominieren Punkte, die inhaltliche Bandbreite geht von Orwells „1984“ (beklebt mit Plastik-Kulleraugen) über „Spock III“ und „Drone Attack“ zum „Global Thermonuclear War“. „Globalisierung, Terror, Internet, Popkultur, soziale Medien“, der Meister hat offenbar zu allem was zu sagen. Nur was eigentlich? Er ist zweifellos ein irre wacher Kopf und ein scharfsinniger Kunstbetrachter. Überzeugende Kunst ist allerdings etwas anderes als die vorsätzliche Visualisierung von Schlagworten, mehr als ein Abfallprodukt des Denkens.

Im letzten Saal findet das raumfüllende „Data Rodeo“ statt, das 2015 am „Google Cultural Institute“ in Paris entstand. Da rollern Putins Büste, eine Katze, ein Stück chinesische Mauer und ein paar Disney-Pilze planlos durch den Raum. Das kann passieren, wenn man der Suchmaschine die Auswahl überlässt.  Douglas Coupland kultiviert die gezielte Abschweifung – schon bei „Generation X“ war er eigentlich neben der Spur. Das führt in seltenen Fällen tatsächlich näher ans Wesentliche als man es auf direktem Wege schafft; häufig aber auch ins Nirgendwo, dorthin nämlich, wo der „Bit Rot“ gar keine Bedrohung ist.