Rochelle Feinstein, I Made a terrible Mistake: Upcycling des Kanons

Review > München > Städtische Galerie im Lenbachhaus
13. Juni 2016
Text: Roberta De Righi

Rochelle Feinstein: I Made a Terrible Mistake.
Lenbachhaus, Luisenstr. 33, München.
Dienstag 10.00 bis 21.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 18. September 2016.
www.lenbachhaus.de
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen: Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2016, 245 S., 32 Euro | ca. 50 Franken.

Die Dame hat schon mal ihren Nachlass geregelt: „The Estate of Rochelle F.“ heißt eine Werkserie, mit der die New Yorker Künstlerin Rochelle Feinstein auf die Finanzkrise von 2008 reagierte. Upcycling, überwiegend in Schwarzweiß, als Kunstgriff und zeitgemäße Haltung zugleich. Das Münchner Lenbachhaus unter Matthias Mühling und mit einem durchweg weiblichen Kuratorinnen-Team hat sich der Wiederentdeckung und Würdigung von Künstlerinnen verschrieben, die in der noch immer männlich dominierten Szene Randerscheinungen geblieben sind. Nach Florine Stettheimer und Lea Lublin wird jetzt Rochelle Feinstein (*1947) mit einer Ausstellung geehrt, die Stephanie Weber kuratiert hat. Das Lenbachhaus ist nach dem Genfer Centre d‘Art Contemporain bereits die zweite Station dieser Schau in Europa, die ab Dezember in der Kestner-Gesellschaft in Hannover zu sehen sein wird.

Feinstein, die lange an der Yale University Malerei und Drucktechnik lehrte, ist auf dem Kunstmarkt eine noch eher unbekannte Größe. Man könnte ihre installative Kunst, in der Schrift eine große Rolle spielt, als eine weibliche Version der Pop-Art beschreiben – mit Referenzen zu Malewitsch und Mondrian, Rothko und Newman. Gleich der erste Raum ist ziemlich dicht, er verbindet in Petersburger Hängung das titelgebende „I Made a Terrible Mistake“ mit einigen Einsprengseln und setzt sich aus comicartigen Sequenzen, Videos, abstrakter Malerei und den bewegten Pünktchen einer Discokugel zusammen. Der harte Schriftzug „Gnorw“ ziert ein weiches Kissen, ein Film zeigt rosa Blüten und graue Leinwände werden von bunten Blasen belebt, die zusammen mit der Disco-Kugel an Barry Whites Siebziger-Jahre-Soul erinnern sollen. Das Zitat bezieht sich aber auf den „King of Pop“ Michael Jackson, der mit diesen Worten seinen „Fehler“ bedauerte, als er in Berlin 2002 seinen Sohn aus dem Fenster streckte, um ihn den Fans zu präsentieren. Feinstein nimmt diese groteske Episode als Ausgangspunkt für das Nachdenken über die künstlerische Variante des Fehler-Machens  – was nicht einleuchtet und als Sackgasse erscheint.

Die Arbeit „Someone Else’s Past“ von 1990 hingegen ist abstrakt autobiographisch: Im lila-rosa-farbigen Raster wiederholt sich der Name „Shelly“ – ihr Spitzname aus der Kindheit im rosa-lila Mädchenzimmer. Und mit dem Collage-Triptychon „Travel Abroad“ dokumentierte die Amerikanerin 1997/98 ihre Reise nach Italien und Deutschland, wo ihr offenbar mehrfach die Frage gestellt wurde, ob Feinstein ein deutscher oder ein jüdischer Name sei – als sei das ein Widerspruch. In Italien wurde dann aus der Leinwand eine Art Kalenderblatt, in das sie Relikte eines jeden Tages – Restaurantrechnungen, Eintrittskarten etc. – einarbeitete. Der beigeordnete Schriftzug „O sole mio“ wirkt allerdings eher albern.

Formal und inhaltlich überzeugt die Trompe-l’oeil-Installation „Before and After“ (1999): Darin lehnen einige Leinwände in verschiedenen Formaten an der Wand, auf denen wiederum leere Leinwände abgebildet sind. Daneben eine großformatige Pinselzeichnung, die das Lagerregal mit Bildern in Feinsteins Atelier zeigt. Hier ist die Malerei nichts als Material, das auf die Erweckung als Kunst durch die Kuratoren wartet. Eindrucksvoll ist auch die Bild-Reihe „Love Vibe“: Sechs Leinwände, auf denen im intensiven Grün der fragmentierte Schriftzug „Love Your Work“ auftaucht, ein Smalltalk-Klassiker in der Kunstwelt. Hier funktioniert das Spiel mit Worten und Klischees und entfaltet auch bildliche Wucht.

Für provokante Setzungen ist Rochelle Feinstein aber viel zu reflektiert. Ihr Werk ist nie sperrig und böse, sie sprengt weder ästhetisch noch kritisch den Rahmen.