Yngve Holen: VERTICALSEAT.
Kunsthalle Basel, Steinenberg 7, Basel.
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 20.30 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 14. August 2016.
www.kunsthallebasel.ch
Zur Ausstellung ist die dritte Ausgabe des von Yngve Holen undMatthew Evans herausgegebenen Magazins ETOPS erschienen.
Der norwegisch-deutsche Künstler Yngve Holen (*1982) gehört zu jenen Digital Natives, die noch vor zwei Jahren mit einigermaßen großer Selbstverständlichkeit der Post-Internet Art zugerechnet wurden. Damals scannte er ganz reale Fleischstücke vom Metzger und ließ sie aus Carrara-Marmor fräsen. Und heute? Spricht eigentlich noch jemand von dieser Kunstrichtung, die zwischen Netz und realem Raum ihre Taschenspielertricks trieb? Yngve Holen jedenfalls hat seine Einzelausstellung in der Kunsthalle Basel „Verticalseat“ nicht grundlos nach einem sozialen Unterscheidungsmerkmal benannt. Die Ausstellung lässt sich als Auseinandersetzung mit Hierarchien und gesellschaftlicher Ausgrenzung lesen und macht dies an der Technik und Formen des Transports fest. Ein „Verticalseat“ jedenfalls ist – man beachte den Euphemismus – sozusagen der Stehplatz der Billigfluglinien und seit 2003 immer mal wieder im Gespräch, um die Auslastung der Flüge zu steigern.
In der Kunsthalle Basel begegnen sie den Ausstellungsbesuchern in Form von acht soliden Absperrgittern, die einander gegenüber an der Wand installiert sind und die Holen als „Verticalseats“ betitelt hat. Ihre reine Zweckhaftigkeit drückt sich im schimmernden Aluminium, dem fast fingerdicken Draht und in jeder Schraube aus. Sicherheitsdenken ist hier Fetisch geworden. Derartige Zäune kommen zum Einsatz, wenn Häuser, Flughäfen oder Grenzen vor unliebsamen Eindringlingen beschützt werden sollen. Holens Werke sprechen Merkmale der Distinktion an. Da gibt es Menschen, die diesseits oder jenseits der Zäune leben, Taxi fahren oder eben einen Porsche Panamera. Wie der Wohlstand, der hier abgeschirmt wird, angehäuft wurde, erzählen die „Verticalseats“ nicht. Diese Gitter sind nah an der Formsprache des Minimalismus und von ähnlich industrieller Ausstrahlung. Und Holens Gitter sind längst auf dem Kunstmarkt angekommen. Allenfalls das Produzieren in Serie unterläuft die Idee eines auratisch aufgeladenen traditionellen Originals.
Die Form seiner Arbeiten ist dabei mindestens so wichtig wie ihre Aussage. Holen verändert den Kontext und fügt neu zusammen, er setzt zu radikalen Schnitten an, höhlt aus und macht das, was unter der Oberfläche liegt, sichtbar. Holen der zuerst in Wien Architektur, dann an der Frankfurter Städelschule Kunst studiert hat, durchleuchtet die Gesellschaft, verwendet CT-Scanner, die er absurderweise aufschneidet und deren Oberfläche er mit dem taxiüblichen Elfenbeinweiß überzieht und mit Titeln wie „Taxi B-T 4280 kommt innerhalb von 3 Minuten“ oder „Taxi B-ON 959 kommt innerhalb von 1 Minuten“ versieht. Oder er durchschneidet einen Porsche Panamera in vier handliche Stücke als sei er eine Torte. Die Schichtungen, die so zutage treten, wirken weniger verführerisch als die Oberfläche. Es macht einen Unterschied, ob man zum Kunden eilt oder die Dienste eines anderen in Anspruch nimmt. Zumindest hier erweist sich die Kunst als Deutungsmacht gegenüber dem Luxus.
Das klingt analytisch, folgt aber immer auch dem Appeal des Materials. Und es rückt sie zudem in die Nähe des klassischen Tafelbildes, fast alle der in Basel gezeigten Werke hängen an der Wand. So auch Holens Werkgruppe der „Window Seat“, für die er Nazar-Amulette in Flugzeugfenster montiert hat. Während die „Augen der Fatima“ üblicherweise blau sind, markieren die unterschiedlichen Farben der mundgeblasenen Scheiben die verschiedenen Sitz- und Preisklassen eines Flugzeuges. Das Amulett kann dann ja vor den bösen Blicken von den Stehplätzen schützen.