Wael Shawky: Und die Geschichte wiederholt sich doch

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15. August 2016
Text: Annette Hoffmann

Wael Shawky.Kunsthaus Bregenz, Karl-Tizian-Platz, Bregenz.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis21.00 Uhr.
Bis 23. Oktober 2016.
www.kunsthaus-bregenz.at

Die Geschichte gibt keine Lehrstunden. Wael Shawkys letzter Teil der Trilogie „Cabaret Crusades“ trägt den Titel „The Secrets of Karbala“. Er erinnert an die Schlacht im Jahr 680, in der die wichtigsten Führer der Schiiten umkamen, worauf Karbala zum herausragenden Wallfahrtsort für die Glaubensgemeinschaft wurde. 1991 kam es dort zwischen Aufständischen und den Truppen der irakischen Regierung zu Gefechten, nach dem Krieg wurde die Wallfahrt 2004 Ziel von Bombenattentaten und auch später gerieten hier US-Truppen und Anhänger des Rebellenführers Muqtada al-Sadr aneinander. Karbala ist ein neuralgischer Ort, zu symbolisch, um friedlich zu sein. Wael Shawky (*1971), der 2012 schlagartig durch seine Teilnahme an der documenta (13) bekannt wurde, wo die ersten beiden Teile von „Cabaret Crusades“ zu sehen waren, kommt immer wieder auf solche Wiederholungen der Geschichte zurück. „The Secrets of Karbala“ erzählt im Kunsthaus Bregenz auch von der Einnahme der christlichen Stadt Zadar durch die Kreuzfahrer, die so ihre Schulden bei den Venezianern ausglichen und somit den Gedanken des Kreuzzuges pervertierten.

Wer nicht an den Zufall glaubt, für den steht alles miteinander in Verbindung. Wurden die Marionettenpuppen der ersten beiden Teile noch aus Terrakotta in Südfrankreich modelliert, so bestehen die Glieder der Puppen des dritten Teils aus Muranoglas, produziert wurde „The Secrets of Karbala“ jedoch in einem Studio in Köln: Frankreich, Venedig, Deutschland sind für den ägyptischen Künstler die wesentlichen Kräfte, die sich hinter den Kreuzzügen verbergen.

Der Niedlichkeitsfaktor von Shawkys Marionetten, die mit ihrem langwimperigen Augenaufschlag, den orientalischen Kostümen, der Nähe zwischen Mensch und Tier durchaus zu bezaubern wissen, hielt bereits in „The Horror Show File“ aus dem Jahr 2010 nicht lange vor. Die Kriegsgräuel, das Abschlachten des Feindes, das Töten von Frauen und Kindern findet nicht hinter den Kulissen statt. Es ist wesentlicher Teil der Erzählung, die auf einem 1983 erschienenen Sachbuch des libanesischen Autors Amin Maalouf beruht und eine arabische Sichtweise der Kreuzzüge des Mittelalters vermittelt. Die Dialoge werden auf Hocharabisch gehalten, das englisch untertitelt ist. „The Secrets of Karbala“ wiederholt das Drama der Schlacht in schier unendlichen Spaltungen, Verschwörungen und Abfällen. Immer wieder setzt Shawky eine Drehbühne ein, auf der er die Marionettenpuppen arrangiert. Das greift das Umrunden des Heiligtums auf, mittelalterliche Vorstellungen der Erde und der Sphären und das geschlossene Weltbild der Zeit. Die Machthaber sind unseren eigenen Zeitgenossen nicht unähnlich, sie verfolgen ihre eigene Agenda, schauen auf den persönlichen Vorteil und sind durch wirtschaftliche und strategische Interessen geleitet. Dass sie von Marionettenpuppen verkörpert werden, deren Fäden gut sichtbar sind, nimmt ihnen einiges von ihrer persönlichen Freiheit. Die Geschichtsschreibung hat damals wie heute zur jeweiligen nationalen Identität beigetragen, kaum jedoch zur Analyse des Geschehens.

Die epischen Filme, der dritte Teil dauert gut zwei Stunden, sind jeweils von den Puppen flankiert, denen der Besucher bereits im Foyer des Kunsthaus Bregenz begegnet. Zu sehen sind auch Orte des Geschehens, die Shawky in Bregenz in Glasplatten fräsen ließ, hinter denen Spiegelglas lehnt, das den Schauplätzen etwas Flirrendes verleiht. Und im obersten Stockwerk bestimmt ein schwarzes Flugobjekt den Raum, das  unheilvoll an die Attentate vom 11. September 2001 oder an Kriegseinsätze erinnert. Niemand soll sagen, man hätte es nicht wissen können.