Tobias Nussbaumer: Unzeit.
Helvetia Art Foyer, St. Alban-Anlage 26, Basel.
Donnerstag 16.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 20. November 2025.
Alle 21 Sekunden wechselt das Bild. Länger zu warten wäre sinnlos, wir gieren nach Neuem. Doch löst ein Bild das andere ab, überlagert eines das andere, und an was werden wir uns erinnern? Können wir mit dem Gesehenen ein paar Jahre später überhaupt noch etwas anfangen? Alle 21 Sekunden ist in Tobias Nussbaumers Installation „Forever (21 seconds)“ das charakteristische Geräusch eines Diaprojektors zu hören, das entsteht, wenn das Bild wechselt. Das Klicken ist täuschend echt, die unscharfen Abbildungen werden per Beamer an die Wand geworfen. Der Klang versetzt zurück in eine Zeit, als Familien zum Ritual des Diaabends zusammenkamen. Das dürfte sich erübrigt haben, seitdem alle mit ihrem Handy fotografieren. Es klingt nach Nähe, nach dem Versuch, das gemeinsame Leben festzuhalten und ihm eine visuelle und narrative Form zu geben, um so die Fremdheit zu überwinden, die einen überfallen kann – nicht nur beim Anschauen von Fotos. Die ursprünglichen Aufnahmen der Installation stammen von Nussbaumers Vater. Auf einer Zeichnung sieht man diesen von einem Zweig halb verdeckt in einem Gewächshaus des Botanischen Gartens stehen.
Erinnerungsräume sind schon seit Langem das Thema des Basler Künstlers. Ebenso das Misstrauen ihnen gegenüber. Denn die oft großformatigen Zeichnungen mögen allein durch die Feinheit des Striches genau wirken, doch oft führen sie in die Irre. Manchmal folgen die Bildkompositionen wie bei „Unzeit“ nicht der Zentralperspektive und auch die Lichtführung irritiert, dann tun verschachtelte Räume und Reflexionen ihr Übriges, um die Betrachtenden zu verwirren. Ist das Weiß auf den Zeichnungen eine Aussparung oder ein blinder Fleck? Ein bisschen wirken sie wie eine zeitgemäße Variante von Francisco de Goyas Capriccioserie der „Kerker der Phantasie“. Mittlerweile arbeitet Nussbaumer (*1987) mit KI, um seine Zeichnungen zu erweitern, die mit schwarzem Filzstift und Tusche auf Papier entstehen.
Das Helvetia Art Foyer gab ihm für seine Ausstellung „Unzeit“ eine Carte Blanche. Zeichnungen, Installationen und eine Skulptur aus Edelstahl schaffen einen hybriden, selbstreferenziellen Raum. Er findet seine Entsprechung in den Arbeiten, die – wie „Postponed Reflection“ von 2024 – etwas Dystopisches haben. Das Schild an der geklinkerten Wand verweist auf die New Yorker U-Bahnstation „Chambers Street“, die dem Verfall überlassen zu sein scheint. In Nussbaumers Zeichnung legen sich Schlieren über das Motiv, Müll oder etwas, was nicht zu identifizieren ist, bedeckt die Treppe. Die Winde der Apokalypse müssen hier durchgefegt sein. Es scheint als hätte die Stadt die Erinnerung an sich selbst aufgegeben.

