Geister. Dem Übernatürlichen auf der Spur.
Kunstmuseum Basel | Neubau, St. Alban-Graben 8, Basel.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 8. März 2026.
kunstmuseumbasel.ch
Zur Ausstellung ist ein Magazin erschienen: Christoph Merian Verlag, Basel 2025, 140 S., 20 Euro | 20 Franken.
Der drollige Geist von Tony Oursler, der von vielen Plakaten in der Stadt blickt, oder das Kindergespenst von Ryan Gander mögen das Publikum bezirzen, aber das Thema der umfangreichen Schau „Geister. Dem Übernatürlichen auf der Spur“ ist ernst. Denn hinter all den Erscheinungen stehen auch unsichtbare Mächte. Schon im ersten abgedunkelten Raum im Kunstmusem Basel öffnet sich der Fächer zwischen Humor, Melancholie und Illusion. Die US-Amerikanerin Angela Deane übermalt auf Flohmärkten gefundene Familienfotos mit kleinen Gespenstern, während Susan MacWilliam in Neonschrift fragt „Where are the dead?“. Körperlos erscheint auch das Publikum in der Installation „Peppers Ghost“, der Demonstration eines alten Theatertricks aus dem 19. Jahrhundert.
Alles Fake? „Wahrheiten“, wie sie heute auf Social Media kursieren? Früher stützten sich Bilder auf literarische oder biblische Quellen. Mit ausdrucksstarken Gebärden illustriert Moritz von Schwind die unheimliche Begegnung mit dem „Erlkönig“, William Blake das Zusammentreffen von Hamlet mit dem Geist des Vaters oder William Blair Bruce einen einsamen Jäger, der kurz vor dem Erfrieren auf (s)einen Geist trifft. Transparenz, unscharfe Konturen, pointierte Licht- und Schattenkomposition dramatisieren die unheimlichen Szenen und bestimmen auch die „Geisterfotografie“, der ein ganzer Saal gewidmet ist. Das noch junge Medium boomte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und gewiefte Fotografen bedienten das Glaubenwollen des Publikums mit erstaunlichen Manipulationen.
Geisterglauben in der westlichen Kunst? Es gibt dort mehr Zusammenhänge als man in einer von Rationalität bestimmten Gesellschaft vermuten würde. „Geister sind nicht einfach körperlose Überreste, sondern stehen als Metapher für alles, was uns erschreckt“, sagt Eva Reifert, Kuratorin der Schau. Betrachtet man die aktuelle Weltenlage, so scheint es, als würden historische Traumata an die Oberfläche gespült, um ihr zerstörerisches Unwesen zu treiben. Im 19. Jahrhundert, in einer von Krankheiten und Kriegen heimgesuchten Zeit, blühte der Glaube an Geister, die man mit Hilfe menschlicher Medien zu beschwören versuchte, um Verstorbene aufs Lichtbild zu bannen. Seherinnen, wie Georgina Houghton oder Madge Gill, übersetzten Botschaften aus dem Jenseits in geheimnisvolle Bilder, die eine grosse Nähe zu kreativen Arbeiten der Kunst aus der Psychiatrie zeigen und sich inspirierend auf das Schaffen im 20. Jahrhundert auswirkten.
Sogar Thomas Mann und C.G. Jung besuchten Séancen. Letzterer schrieb seine Dissertation über die „Psychologie und Pathologie sogenannter okkulter Phänomene“. Die Erkenntnis, dass diese ihren Ursprung im innerpsychischen Labyrinth haben, beschrieb schon die amerikanische Dichterin Emily Dickinson in einem Gedicht von 1891, das gegenüber von Rachel Whitereads „Poltergeist“ die Wand ziert. Diese Kehrtwende des Blicks nach innen zeigt sich auch in ironischen Kunstäusserungen des 20. und 21. Jahrhundert. Paul Klee entlarvt parodistisch eine Séance, Sigmar Polke nimmt Kontakt zu William Blake auf, Erwin Wurms Gespenst trägt Badeschlappen und Mike Kelley experimentiert mit Ektoplasma-Auswürfen basierend auf der frühen Geisterfotografie.
Schmerz und kollektive Erschütterungen von Frauen stehen dagegen hinter den zarten Tüllhemden „Desvestidos“ der paraguayanischen Künstlerin Claudia Casarino, ebenso die „Häutung“ des Portals einer Psychiatrischen Anstalt von Heidi Bucher. Ein Film des irischen Künstlers Willie Doherty fängt traumatisierte Landschaften ein und Corinne May Botz fotografiert Spukhäuser. Der letzte Raum ist leer, nur ein leichter Luftzug lässt erschauern: Eine Installation von Ryan Gander macht das Immaterielle der Thematik spürbar.





