Angela Lyn, Navigating Time and Space; Rebekka Steiger, Bingfeng: Aufgehoben zwischen den Welten

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Angela Lyn, navigating time and space, Ausstellungsansicht Kunstmuseum Thun, 2025, Courtesy the artist, Fotos: Andrea Rossetti
Review > Thun > Kunstmuseum Thun
18. Juli 2025
Text: Annette Hoffmann

Angela Lyn: navigating time and space.
Rebekka Steiger: Bīngfēng.
Kunstmuseum Thun, Hofstettenstr. 40, Thun.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 19.00 Uhr.
Bis 3. August 2025.
www.kunstmuseumthun.ch

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Angela Lyn, navigating time and space, Ausstellungsansicht Kunstmuseum Thun, 2025, Courtesy the artist, Fotos: Andrea Rossetti
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Rebekka Steiger, Bīngfēng, Ausstellungsansicht Kunstmuseum Thun, 2025, Courtesy the artist, Fotos: David Aebi
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Rebekka Steiger, Bīngfēng, Ausstellungsansicht Kunstmuseum Thun, 2025, Courtesy the artist, Fotos: David Aebi

Könnte eine Sänfte das angemessene Tempo haben, um zwischen den Welten zu reisen? Angela Lyn (*1955) war fast volljährig als sie ihre chinesische Verwandtschaft kennenlernte. Mit ihren chinesisch-britischen Eltern war sie im Heimatland ihrer Mutter, Großbritannien, aufgewachsen bevor ihre Familie in die USA übersiedelte. Später zog sie in die Schweiz. „Navigating time and space“, so der Titel ihrer Einzelschau im Kunstmuseum Thun, ist zu so etwas wie ihrem Lebensprinzip geworden. Rebekka Steiger (*1993), die sich derzeit mit Lyn die Ausstellungsräume teilt, kam mehr oder weniger durch Zufall nach Vietnam und sollte später gut zwei Jahre in China verbringen. Die Künstlerin, die von der Galerie Urs Meile vertreten wird, hat Chinesisch gelernt. Keine der beiden Frauen ist irgendwie „lost in translation“, die Erfahrung einer anderen, nicht-westlichen Kultur gehört zu ihrem Leben, wie die Dynamik, die sich daraus jeweils entwickelt hat.

Die Sänfte zählt wie selbstverständlich zu den Ausstellungsobjekten im ersten Raum von Lyns Ausstellung. „Passenger“ entstand zwischen 2021 und 2024, davor befinden sich ein Paar Filzpantoffeln, in der Sänfte Keramikobjekte, die wie chinesische Lotusschuhe aussehen. Eine Stimme vergewissert sich, ob sie auf jemanden zählen könne, unterhalb des Dachs der Sänfte ist ein Stickbild mit dem Schriftzug „are we nearly there, brother“ befestigt. An einer Stange hängen miteinander verbundene Stoffhände, die gerade so plastisch sind, dass man sie noch für Handschuhe halten könnten. Innen ist ein Phallus zu sehen und sehr viel Bric-à-Brac. An den Wänden des Kunstmuseum Thun hängen Bilder von Zedern, manchmal geht der Blick in die Krone, jedenfalls sind es immer Ausschnitte. Mit dem Bild eines Affen ist eine Kindheitserinnerung und erste Kunsterfahrung verbunden. Angela Lyn schafft Settings, in denen sie die Betrachtenden willkommen heißt. Und sie ist so gastfrei, dass dies lediglich ein Angebot ist. Ihre Installation „Tea Room“ besteht etwa aus einer Holzkiste, die mit Tassen und schwarzen Servietten gedeckt ist. Die Teeschalen sehen handgemacht aus, Zedernadeln sind auf die Innenseite gemalt. Ein abgestorbener schwarzer Ast mit kleinen Zweigen stakt auf dem Tisch. Daneben am Boden liegt ein Kissen mitsamt den zierlichen Lotusschuhen aus Keramik. Ihrer Großmutter, so erfährt man in der Begleitpublikation, wären beinahe auf diese Weise die Füße verstümmelt worden.

Angela Lyns Arbeiten erinnern an die Arte Povera, nicht im Hinblick auf ihre Materialien, sondern auf die Arrangements, die sie vornimmt. Und wie Rebekka Steiger, die „Titelgeschichten“ mit oft lyrischem Ton zu ihren Arbeiten schreibt, so sind auch bei Lyn Texte wichtig. Nicht selten sind sie mit Nadel und Faden auf Stoff gestickt, manchmal ist es nur eine Aufforderung wie „smell“, die auf einem gepols­terten Stoffobjekt steht. Der Geruch ist auch so eine Spur der Erinnerung.

Rebekka Steiger hat sich früh für chinesische und japanische Landschaftsmalerei interessiert. Da gibt es einerseits Bilder von Schweizer Gletschern, die sie von Wanderungen kennt und die sie fotografiert hat und als fast abstraktes Muster auf die Leinwand überträgt. Da sind andererseits Farblandschaften, manchmal als All-Over, mitunter mit figurativen Elementen wie bei „Helium“. Da stehen zwei Menschen vielleicht im Schnee, links neben ihnen mäandert ein Flusslauf, der aus einem Bergsee gespeist wird. Mehrere Ringe oder Blasen stehen im Raum. Auf anderen Bildern sind Reiter zu sehen oder ein Fuchs, der wie ein Totemtier wirkt. In einem Video zeigt sich der Malprozess, so legt sie ein Brett über die Leinwand, um große Formate zu bewältigen. Manche Partien klatscht sie mit einem kleinen Bild ab, so dass die Farbe verwischt wird, oft ziehen sich Verlaufsspuren über die Arbeit. Ost und West kommen in diesen beiden Ausstellungen zusammen – Angela Lyns Zeder steht übrigens im Tessin.