Bakuba – Geometrie des Lebens. Zwischen Abbild und Struktur

Futur-velours.com, Mgelambine / Haus der Königinnen, 2024, Stiftung Hamburger Kunstsammlungen
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5. Juli 2025
Text: Peter Boué

Bakuba – Geometrie des Lebens.

MARKK – Museum am Rothenbaum Rothenbaumchaussee 64, Hamburg.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 21. Uhr.
Bis 3. August 2025.

www.markk-hamburg.de

Nicht-dokumentierte Künstler:innen der Kuba, Kasaï Region, Demokratische Republik Kongo, 1950er Jahre, Privatbesitz, © MARKK, Foto: Paul Schimweg
Futur-velours.com, Tristan im Kasaï, 2024, Stiftung Hamburger Kunstsammlungen

Eingebettet in ein tiefes Violett auf Wand und Boden sind die geflochtenen Bilder zu Gruppen gehängt, sie scheinen aus der Farbe heraus mit ihren rätselhaft zeichenhaften Strukturen wie ein Strom von Erzählungen. Die Bilder ähneln einander, sind aber niemals gleich. Erkennbar gemeinsam haben sie in ihren Zeichnungen rhombische Formen, auf die Spitze gekippte Quadrate und Zickzacklinien. Und auch wenn sie grundlegend sich wiederholende grafische Grundstrukturen besitzen, fallen einem bald die feinen Abstufungen auf, die Abweichungen von der strengen Geometrie. Ihr Material ist die schwer zu verarbeitende, aber langlebige Raphia-Palme von hellbrauner Tönung, die mit Farbe und Stickerei ergänzt wurde. Auf der anderen Seite des Raumes hängen – ähnlich beige und rotbraun, nur sehr viel kleinteiliger – textile Bilder mit Personen und Behausungen, präzise gegenständlich bei aller Auflösung auf dem geflochtenen Material. Im Zentrum hingegen ruht wie in einer gläsernen Zeitkapsel eine Gruppe von Ritualmasken aus Holz, deren expressiver und starker Ausdruck durch ausgewogene, wiederum geometrische Muster auf der Oberfläche und Materialien wie Naturfasern, Kauris und Glasperlen verdichtet wurde.

Die kleine, aber intensive Ausstellung im Museum für Kunst und Kulturen MARKK zeigt Kunstwerke aus dem Königreich der Kuba aus der Region Kasai im Südwesten der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Ausgangspunkt für das Kurator:innen-Team Stéphane Kyowa Kabila, Oussounou Abdel-Aziz Sandja und Johanna Wild war die Verbindung zum Ort der Ausstellung, dem früheren Museum für Völkerkunde, und zu dessen Sammlung von kaum weniger als 10.000 Artefakten allein aus dieser Region des Kongo. Diese kamen von dem Afrikanisten Leo Frobenius, der sie zwischen 1904 und 1906 in seinen Besitz und anschließend in den des Museums gebracht hatte. Das Sammeln von Artefakten in diesen Regionen fiel in eine Zeit brutaler Kolonialherrschaft im Freistaat Kongo als Privatbesitz des belgischen Königs Leopold II., gepaart mit auszehrender Zwangsarbeit bei der Kautschuk-Erzeugung und der blutigen Niederschlagung von Aufständen der Kuba. Die skulpturalen Masken aber, insbesondere die Flechtwerke aus Kasai, hatten ihren kulturindustriellen Aufschwung schon im 18. Jahrhundert und waren seit Ende des 19. Jahrhunderts in Europa durch Ausstellungen afrikanischer Kunst bekannt und begehrt. So ist das „Sammeln“ dort kein Akt kulturellen Interesses, sondern ein ökonomischer Faktor geworden. Ein Faktor, der den Verlust der Artefakte, seien es die Textilien, Masken oder alltägliche Arbeits- und Reservoirgeräte, bestimmt und deren Fehlen bis heute als eklatanter Mangel empfunden wird. So wichtig wie das Verschwinden der Gegenstände ist das des Wissens um die kulturellen Techniken, in diesem Fall besonders über die Kommunikation mit der abstrakten Symbolik der textilen Bilder. Die Bedeutung der Bilder zielt auf den Zusammenhang im sozialen Gefüge, auf ihre Spiritualität und ihre kulturelle Identität.

Hier setzt seit 2019 die international arbeitende Kooperative Futur-Velours.com an, die in den Werkstätten die historischen Knüpf- und Flechttechniken auf traditionelle und nicht industrielle Weise wiederbelebt. Dabei entstehen hybride Formen, in denen die gewebte Faser im Wechsel mit Sti­ckerei innovativer und oft kleinteiliger verwendet wird. Ein wichtiger Unterschied liegt in der oft praktizierten gegenständlichen Erzählweise der Bilder. Es sind Kollaborationen mit Künstler:innen, die ihre jeweils eigenen Bildsprachen mit historischen Techniken kombinieren. So entstehen unterschiedliche Motive – etwa nach Fotografien aus der belgischen Kolonialzeit oder realer Orte –, die aber in ihre geflochtene Struktur eingebunden sind. Damit kommen Formen zutage, die gleichzeitig abbildend wie gegenstandslos sind. So gesehen sind es Neuinterpretationen und Bestandteile eines alten Werteverständnisses, das die Anbindung an historische Kontexte sowie einer zuvor abgebrochenen Zukunft wiederaufnimmt.