Bas Jan Ader: I’m Searching.
Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall 5, Hamburg.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 21.00 Uhr.
Bis 24. August 2025.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen:
Hamburger Kunsthalle, Hamburg 2025, 208 S., 39,80 Euro.
[— artline>Nord] „Ever tried. Ever failed. Fail again. Fail better“, wusste Samuel Beckett. „Die Welt ist alles, was der Fall ist“, wusste Wittgenstein. Zwei Zitate, die die Retrospektive „I’m searching …“ von Bas Jan Ader in der Hamburger Kunsthalle umreißen – jenes 1975 33-jährig spurlos verschwundenen niederländischen Künstlers, dessen Aktionen und konzeptionelle Arbeiten eigentlich immer ein Unterlaufen des eigenen Status waren, ein Provozieren des Scheiterns, ein Spiel mit dem Fallen, mit dem Kontrollverlust.
Im Grunde hat Birgit Kölle die Ausstellung konventionell kuratiert: Brav chronologisch werden die Lebensdaten des Künstlers abgehandelt, das Aufwachsen in der niederländischen Provinz als Kind eines Predigerpaares. Das die eigentlich vorgesehene Ausbildung zum Geistlichen verweigerte, frühe künstlerische Versuche, noch konventionelle Kohlezeichnungen, die freilich schon das Talent Aders andeuteten. Der Umzug in die USA, die Heirat mit Mary Sue Anderson, die fortan seine Aktionen dokumentieren sollte. Schließlich die bekannten „Fallen“-Arbeiten, Performances, in denen der Künstler seine Körperspannung aufgab und stürzte, auf einen Feldweg, in eine Amsterdamer Gracht, vom Hausdach. Nur dass Chronologie eigentlich ein unpassender Zugriff ist für dieses kleine, nur wenige Jahre umfassende Werk, dessen kunsthistorischer Wert sich im Grunde konzentriert auf wenige Exponate und bei dem etwa den frühen Zeichnungen nur periphere Bedeutung zugestanden wird.
Birgit Kölles Hängung aber sieht hier eine Gleichwertigkeit: Die Kohlezeichnungen des „Drieborg Portfolios“ (1959-61) oder ein titelloses, abstraktes Landschaftsgemälde sind bei ihr kein bloßes Ausprobieren, in dem sich Aders späte Meisterschaft ahnen lässt, es sind Werke, die den 20-Jährigen in der niederländischen Maltradition verorten, einer Tradition, die etwas verstanden hat von Weite, von den Möglichkeiten des offenen Himmels. Und plötzlich wird auch klar, weswegen der charakteristische Leuchtturm Westkapelle in mehreren späten Arbeiten, unter anderem einer „Fallen“-Aktion, auftaucht: weil Piet Mondrian dasselbe Bauwerk mehrfach verewigte und weil Ader sich so in einen bestimmten Kontext stellt.
Den Mondrian-Bezug findet man fortan immer wieder, in „Untitled (Flower Work)“ (1974/25) etwa oder in „Primary Time“ (1974). Aber Ader imaginiert sich hier nicht als Neuerfinder der Klassischen Moderne, er stellt Vergleiche her, er fragt sich, ob das vielleicht Schuhe sind, die ihm passen, ähnlich wie er sich in einem Selbstporträt als sonniger kalifornischer Malerstar inszeniert. Ironisch dabei: Im Moment des Vergleichs interessiert es ihn gar nicht mehr, ob die Schuhe tatsächlich passen. Das Spielerische ist für diese Kunst wichtiger als das Ergebnis. Und im Spiel zu scheitern, ist keine Schande.
Die Ausstellung endet mit der unvollendeten Trilogie „In Search of the Miraculous“. Und die kann man tatsächlich als Höhepunkt dieser Ästhetik des Scheiterns sehen: Der erfahrene Segler Ader plante, den Atlantik von West nach Ost mit einem winzigen Boot zu überqueren, umfangreich dokumentierte seine Frau die Vorbereitungen. Die Reise aber scheiterte – Monate später wurde das vor der Küste Irlands treibende Wrack entdeckt, Ader aber blieb verschwunden. Und natürlich: Das ist ein tragisches Schicksal. Ein tragisches Schicksal, in dem freilich eine ästhetische Konsequenz liegt, die sich in der Biografie des Künstlers immer wieder finden lässt. Nur kurz erwähnt die Ausstellung, dass der Anfang der Siebziger durchaus erfolgreiche Ader große Mengen Geld an der Börse verspekuliert hatte, auch das ein womöglich geplanter Kontrollverlust, auch fallende Kurse sind ein Fallen. Fail again. Fail better.