Augustas Serapinas: Das Haus von Rūdninkai.
Bis 15. Juni 2025.
Von hier aus. Jubiläumsausstellung.
Bis 6. Juli 2025.
Bündner Kunstmuseum, Postplatz, Chur.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
www.kunstmuseum.gr.ch
Im Mai 2025 erscheint anlässlich des Jubiläums eine Publikation:Das Bündner Kunstmuseum heute, Scheidegger & Spiess, Zürich 2025, 276 S., 35 Euro | ca. 35 Franken.
Er nähere sich jeder Situation über die Menschen, sagt Augustas Serapinas (*1990). Während das Bündner Kunstmuseum das 125-jährige Bestehen des Bündner Kunstvereins mit der Jubiläumsschau „Von hier aus“ begeht, hat es zugleich dem litauischen Künstler einen Raum für eine Studioausstellung überlassen. Eine Institution, die auf eine derart lange Geschichte zurückschaut, pflegt Beziehungen. Zu den Kunstschaffenden, der Bevölkerung, Sammlerinnen und Sammlern, Geldgeberinnen und Geldgebern sowie zur Politik.
Eine Beziehung ist in Chur unübersehbar: die der Menschen zur Natur und dem Kulturraum der Alpen. Die Sammlung spiegelt dies nicht allein durch die kunsthistorischen Positionen von Ernst Ludwig Kirchner oder Giovanni, Diego und Alberto Giacometti wider, auch zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler greifen in ihren Arbeiten die allgegenwärtigen Berge auf. Hamish Fulton hat für „Fifteen pieces of wood for a fifteen day wandering walk from and to the town of Samedan with guided climbs of Piz Kesch and East Palü Engadin Switzerland“ eben diese Zahl an unangespitzten Bleistiften zu einem steilen Gipfel arrangiert und so eine Art Kartografie der Wanderung geschaffen. Not Vital hingegen hat Marmorsteine, deren Maserung an Höhenzüge oder Wolkenformationen erinnern, in Gipsrahmen gesetzt und sie zu Wandobjekten gemacht. Viele Werke aus der Sammlung greifen die besondere Materialität der Landschaft auf. Sei es im Stein, in der Vegetation wie Anne Loch oder Ursula Palla, sei es in den Rinderknochen, die Stefan Gritsch zu Scheiben gesägt und mit einer übermalten Gaze abgeschlossen hat. Trotz des organischen Materials wirken diese satten Farbfelder in Purpur und Blau wie eine minimalistische Setzung.
Augustas Serapinas Arbeiten knüpfen an eine ländlich geprägte Architektur an, die kein Material verschwendet und die sich sowohl in seiner Heimat als auch in Graubünden findet. „Das Haus von Rūdninkai“ war einmal eines der traditionellen dörflichen Badehäuser in Litauen. Als es vor einigen Jahren als Brennholz für Selbstabholer angeboten wurde, griff er zu. Seitdem hat es Serapinas in unterschiedlichen Konstellationen wieder aufgebaut, einen Teil des Holzes verbrannte er tatsächlich und machte aus der Asche Seife- und Zementziegel. Im Bündner Kunstmuseum sind diese sandfarbenen und grauen Ziegel auf alten Dielen zu einem Ofen gestapelt. Zwei Wände umgeben ihn. In den Bohlen stecken noch rostige Nägel, an denen Plakatfetzen hängen, man sieht Fressspuren von Holzwürmern. Vor allem jedoch erkennt man ein effizientes Stecksystem, das es erlaubte, die Bohlen wiederzuverwerten. An der Wand gegenüber hängt im Bündner Kunstmuseum „Roof of a house from Steponiu Village“ aus dem Jahr 2022. Die Dachschindeln sind verkohlt, da sie mit Feuer behandelt wurden, um Schädlingsbefall zu verhindern und das Holz zu desinfizieren.
Serapinas zeigt einerseits den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen von lokalen Gesellschaften, andererseits ihre Marginalisierung durch Abwanderung, die durch soziale und politische Prozesse ausgelöst sind. Doch obgleich er sich von einem Menschen zum anderen führen lässt, um an sein Material zu kommen, sind seine Erzählungen nicht biografisch, sondern lückenhaft. Wir können nicht die ganze Geschichte an den Werken ablesen, da auch Serapinas sie nicht kennt. Er wisse nicht, was er tue und dies sei eben der Grund, warum er es tue und warum er Künstler sei, hat er einmal in einem Interview gesagt. Serapinas durchbricht so die Tradition, die dieses Erbe hervorgebracht hat und bewahrt es dennoch.