Le Corbusier: Die Ordnung der Dinge.
Zentrum Paul Klee, Monument im Fruchtland 3, Bern.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 22. Juni 2025.
www.zpk.org
Charles-Édouard Jeanneret, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Le Corbusier, war nicht nur einer der einflussreichsten Architekten, sondern auch der wirkmächtigste Architektur-Theoretiker der klassischen Moderne. Das Zentrum Paul Klee veranstaltet eine Ausstellung zu seinen Bauten, in der aber der Entwurfsprozess im Mittelpunkt steht. Es war, wie die Berner Ausstellung zeigt, die unglaubliche Karriere eines Hochbegabten. Vom ausgebildeten Emaillierer von Uhrengehäusen in seinem kleinen Schweizer Geburtsort La-Chaud-de-Fonds entwickelte sich der 1887 geborene Charles-Édouard Jeanneret zum Baumeister, Stadtplaner und Propagandisten einer Moderne, die der aufkommenden Massengesellschaft Licht und Freiheit verschaffen wollte – und natürlich funktionale Wohnungen. Dass er sich nach einer Verwandten den aristokratisch klingenden Namen Le Corbusier zulegte, war ein markttechnisch gesehen kluger Schachzug, eine Art Branding.
Le Corbusier begriff sich als Wissenschaftler. In seinem „Atelier der geduldigen Forschung“ wollte er jenen Prinzipien auf die Spur kommen, die das menschliche Leben gestalten und verbessern könnten. Die fand er nicht im Geometrie-Lehrbuch, sondern einerseits in Bauwerken der Antike, andererseits in Bauplänen der Natur. Le Corbusiers Skizzen vom Athener Parthenon und vom römischen Kolosseum erklären sein späteres Verständnis von Proportion, Raumgestaltung und Lichtführung. Und seine Fundstücke vom Strand, die Muscheln, Kristalle und Hölzer, nehmen schon jene skulpturale Wende vorweg, die sich in den späten Werken wie der Kirche von Ronchamp manifestieren werden.
Zeichnen, Malen, Sammeln, Entwerfen, Schreiben – für Le Corbusier waren das gleichberechtigte Tätigkeiten. Das Schöne an dieser Ausstellung ist, dass sie uns mitnimmt in einen Prozess, der mit Le Corbusiers obsessivem Zeichnen und seiner kubistischen Ölmalerei beginnt – und sich erst dann ins Architektonische weitet. Der Kurator Martin Waldmeier begreift und zeigt Le Corbusier als eine Art verspielten Rationalisten, der stets dem Experimentellen verpflichtet blieb.
Die Ausstellung erzählt in drei Achsen, zwischen denen man zwanglos wechseln kann. Die linke Schiene zeigt chronologisch das künstlerische Werk, Zeichnung, Malerei, Skulptur; die rechte theoretische Äußerungen zur Architektur, Entwürfe, Fotos, Architekturmodelle. Die mittlere Achse ist das Atelier, der Ort des Nachdenkens. Hier sieht man, welche Gegenstände im künstlerisch stets wachen Le Corbusier eine „poetische Reaktion“ auslösten. Alle Ideen aber mussten in eine Ordnung gebracht werden. Während man heute ja eher das Verwurstelte, Verknautschte, Chaotisch-Diverse und Unübersichtliche liebt (philosophisch und architektonisch), war in den 1920er Jahren, nach den Wirrnissen des Ersten Weltkriegs, Klarheit und Struktur gefragt, nicht nur im Bauhaus. Auch Le Corbusier hielt Ordnung für eine Notwendigkeit, um die chaotische Welt bewohnbar zu machen, durch immer neue Entwurfsprozesse. Dieses Ordnungsprinzip war aber nicht ursächlich dafür, dass Le Corbusier zeitweise Kontakt zu italienischen Faschisten pflegte – da ging es um Bauaufträge. In seinen Vorträgen plädierte er immer für die moderne, durchlässige Gesellschaft. Seine Wohnmaschinen sollten Raum für viele Menschen schaffen, Kommunikation und Freiheit ermöglichen – dass deutsche Plattenbauten und französische Vorort-Siedlungen heute zu Parallelgesellschaften führen, ist auch ein Phänomen von Armut und Segregation.
Die Ausstellung beschenkt uns mit einigen Ikonen – etwa dem Modell zur „Unité d’habitation de Marseille“, einem Prototyp des Massenwohnungsbaus, und der Maquette zur Kirche von Ronchamp mit ihren schwebenden Beton-Formen. Am Schluss kann man vor einer großartigen Video-Installation zur indischen Planstadt Chandigarh verweilen, die Le Corbusier in den 1950er Jahren gebaut hat – hier sieht man, wie aus Architektur soziales Leben entsteht, aber auch, wie Zeit und Klima an den Bauten fressen.