Caroline Achaintre, Shapeshifter: archaischer Futurismus

Caroline Achaintre
Caroline Achaintre, Charybdis, 2025, Courtesy Art : Concept, Paris, and von Bartha, Basel/Copenhagen, Foto: Nikolaus Steglich
Preview > Marktoberdorf > Künstlerhaus Marktoberdorf
2. Mai 2025
Text: Julie Metzdorf

Caroline Achaintre, Shapeshifter.
Künstlerhaus Marktoberdorf, Kemptener Str. 5, Marktoberdorf.
Dienstag bis Freitag 15.00 bis 18.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 14.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 25. Mai 2025.
www.kuenstlerhaus-marktoberdorf.de

Ein zotteliges Wollmonster scheint sich aus der Wand zu lösen und die Gäste zu begrüßen. Die Haare lang und fransig, die Farben von hellem Beige bis zu tiefbraun. Es ist nicht das einzige seiner Art, eine ganze Reihe von Fantasiewesen bevölkern derzeit das Künstlerhaus Marktoberdorf. Manche sehen aus wie Vögel, andere wie Insekten, Fledermäuse oder Yeti. Immer sind da zwei Augen, manchmal kann man einen Schnabel erkennen, Haifischzähne oder Ohren.

Unbekannte Wesen in dieser Größe könnten durchaus unheimlich wirken – tun sie aber nicht. Das liegt unter anderem an dem Material, das die Künstlerin Caroline Achaintre (*1969) benutzt: Wolle. „Wolle ist kein neutrales Material, es hat eine Temperatur, man weiß schon beim Betrachten, was es mit einem tut. Ich sehe meine Arbeiten als archaisch und futuris­tisch zugleich, etwas, das mich auch bei Kunstwerken aus der Vorzeit begeistert“, sagt die Künstlerin. Archaisch und futuristisch, fremd und vertraut, figürlich und abstrakt: Achaintres wollene Wolpertinger sind hybride Wesen, weich und nicht bedrohlich, aber auch ein bisschen unheimlich und von einer so starken Präsenz, dass man fast meinen könnte, sie wären lebendig. Übrigens sind diese Wandteppiche nicht geknüpft oder gewebt, sondern getuftet. „Man schießt von hinten durch“, erklärt Achaintre: „Es sieht aus wie eine Bohrmaschine. Man drückt diese Maschine in die Leinwand, die Wolle wird mit Druck durchgeschossen und automatisch abgeschnitten. Man kann die Florlängen auch unterschiedlich einstellen, so dass ein Reliefcharakter entsteht.“ „Malen mit Wolle“ nennt Caroline Achaintre den Vorgang. Oft lässt sie die Fäden als lange Fransen hängen oder mischt unterschiedliche Wollsorten: Fluffiger Mohair wirkt wie moosiges Yak-Fell, ordentlich und gerade gespannte Fäden erinnern an Gardinen. Direktorin Maya Heckelmann findet vor allem die Kombination aus High und Low interessant, „also einerseits die kunsthistorische Auseinandersetzung, das expressionistische Formengut, das für sie ganz wichtig ist, und andererseits Punk und Heavy Metal, also wirklich dieses High und Low der Kultur, sie geht da ganz frei mit um und hat ihre eigene Bildsprache gefunden.“

Die Arbeit mit Gegensätzen fasziniert die Künstlerin ganz offensichtlich. Außer mit Wolle arbeitet Caroline Achaintre auch mit Keramik – einem vollkommen anderen Material. Ton ist kalt und glitschig, wird plas­tisch aufgebaut, die Farbe kommt erst in einem zweiten Schritt mit der Glasur hinzu. „Ich arbeite mit Tonplatten, die ich als Hohlkörper forme und brenne, und dieses Spielerische am Ton und auch die Darstellungsmöglichkeit des Weichen, was dann letztendlich eingefroren wird, diese Vermischung der Aggregatzustände finde ich spannend.“

Auch Achaintres Tonarbeiten zeigen hybride Wesen: Gesichter mit herzigen Knubbelnasen, Schweinsäuglein und Knickohren, dazu eine Oberfläche, die an Reptilienhaut oder Schuppen erinnert. Alles fantastische Figuren, die man so noch nie gesehen hat, und für die das Gleiche gilt wie für die Wollmonster: Selten sieht man Objekte, die so lebendig wirken und so interessant, dass man sie als innere Gefährten gern mit nach Hause nimmt.