Kalin Lindena: Schatten von Wind.
Städtische Galerie Karlsruhe, Lorenzstr. 27, München.
Mittwoch bis Freitag 10.00 bis 18.00 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 27. April 2025.
www.staedtische-galerie.de
Die Arbeiten, die Kalin Lindena (*1977) im Projektraum der Städtischen Galerie Karlsruhe zeigt, sind raumgreifend und wirken, als habe sie mit vollem Körpereinsatz flüchtige Bilder zu bannen versucht. Es scheint, als würden ihre Leinwände über die Wände tanzen, als bewegten sie sich sanft im Raum. „Schatten von Wind“, so der Titel der Ausstellung, bringt diesen Moment von Flüchtigkeit und Bewegung auf den Punkt.
Der Förderkreis der Städtischen Galerie lädt einmal im Jahr eine:n Künstler:in ein, sich zu präsentieren, kauft eine Arbeit an und produziert einen Katalog. Kalin Lindena hat seit 2014 eine Professur für Malerei an der Kunstakademie Karlsruhe inne, kommt aber ursprünglich aus der Subkultur, vom Graffiti. Dort wird die Linie nur dann zu einer Linie, wenn sie der ganze Körper zeichnet. Aus der Linie wird damit eine Geste, aus der Geste auf der Museumswand eine Form. Und so bezeichnet Lindena auch ihre amorphen Großformen: „Shapes“. „Es ist eine Armbewegung, die von meinem Armradius ausgeht, nicht eine, die aus dem Handgelenk kommt. So unterstreicht die Geste die Form“, betont Lindena. Die Bewegung fixiert sie in ihren „Wetterfahnenfarben“, die unterschiedliche Anmutungen im tageszeitlichen Wechsel und bei unterschiedlichen Wetterlagen zeigen. Von gleißendem Sonnenschein bis düster-stürmischem Wetter bieten sie ein breites Stimmungsspektrum.
Die beiden mitten im Raum stehenden achteckigen Säulen werden in diesem Kontext unvermittelt zu Fahnenmasten, zu skulpturalen Elementen im Raum. Das Gestern (der historische Hallenbau) verschmilzt mit dem Heute (den Farbformen) die vor der Wand zu schweben, fast schon zu flattern, sich je nach Betrachterstandpunkt hinter der Säule im kräftigen Luftzug wild aufzubauschen scheinen.
Diesen flatternden Farbbildern hängen, links und rechts neben dem Eingang zum Projektraum, zwei rote, leicht unförmige Objekte gegenüber. Lindena grinst: „Wenn ich sage, was es damit auf sich hat, sagt jeder – na klar!“ Und tatsächlich ist dem so: Es sind zwei Fäuste, eine in Rosé, die andere in Orangerot. Sie sind kraftvoll geballt, so kräftig, dass die Knöchel weiß werden. „Für mich sind Hände das Werkzeug zur Welt. Deshalb kommen sie mal eher versteckt, mal präsenter in meinem Werk vor.“ Hier handelt es sich zugleich um eine Hommage an ihren kürzlich verstorbenen Professor Walter Dahn. „Halten“ sind sie betitelt, nach dem Halten der zu schwenkenden Fahnenstange, und nehmen so Bezug zu den übrigen Kunstwerken. Es geht ihr aber auch um die Haltung, die der Künstler, die Künstlerin über sein bzw. ihr Werk vermittelt – dabei habe sie Dahn stark geprägt. „Und natürlich geht es auch darum, ihn, dem ich diese Arbeiten gewidmet habe, in Erinnerung zu halten.“
In der bildenden Kunst ist seit längerem schon zu beobachten, dass die Grenzen zwischen den Gattungen fließend sind, dass Bildhauer auch malen und umgekehrt. Kalin Lindena ist insofern keine Ausnahme. Auch diese Facette ihres Werks deutet die Ausstellung an. Eigens für die Städtische Galerie hat sie einen Lampion als Multiple neu aufgelegt. Die Papierlaternen kennen wir alle von den herbstlichen Lichterumzügen. „Über die Jahre werden sie immer schöner“, meint Lindena, weil sie ausbleichen und dadurch ihre Fragilität noch mehr zum Tragen kommt. Hinter der Idee zum Multiple stand die Idee, das Unmögliche möglich, aus einem fragilen, porösen Alltagsobjekt eine haltbare Form zu machen. Die leicht knittrigen Betonlampions sind das durchweg geglückte Ergebnis dieses Vorhabens. Diese Kunstobjekte atmen eine erstaunliche Leichtigkeit, ein Augenzwinkern schwingt dennoch mit.