Mattania Bösiger

Mattania Bösiger, nature morte V, 2023, Courtesy the artist
Porträt
25. März 2025
Text: Fenja Willim

Mattania Bösiger
stellte zuletzt an der Regionale 25 im DELPHI_space, Freiburg, aus sowie an der 40. Kantonalen Jahresausstellung im Kunstmuseum Solothurn.

Kommende Ausstellungen:
— Art Paris, Solo Booth, mit Galerie Fabienne Levy, Genf,
Grand Palais, Paris, 3. bis 6. April 2025
— Der unwiderstehliche Drang zur Figuration (Mattania Bösiger mit Urs Aeschbach, Corinne Guedemann, Giampaolo Russo, Jan Hostettler und Jonas Baumann), Schlösschen Vorderbleichenberg, Biberist, 26. April bis 17. Mai 2025
— Volta Art Fair, Basel, mit Galerie Fabienne Levy, Genf,
Messe Basel, Halle 4.U, Messeplatz, Basel, 18. bis 22. Juni 2025

mattania.ch
www.fabiennelevy.com

Mattania Bösiger, nature morte IV, 2023, Courtesy the artist
Mattania Bösiger, nature morte I, 2022, Courtesy the artist
Mattania Bösiger, /imagine/burning_6.jpg, 2023, Courtesy the artist
Mattania Bösiger, Objekt VIII, 2023, Courtesy the artist

Ein sonniger Vormittag in Basel. Ich besuche Mattania Bösiger in seinem Atelier, das sich in einem großen Gebäude mit unzähligen Räumen befindet, die ganz unterschiedlich kreativ genutzt werden – vom Tattoostudio über Architekturbüros bis hin zu Künstler*innen-Ateliers. Eines davon gehört Mattania. Ein Studio, wie ich es mir vorgestellt habe: Durch große Fenster fällt Licht in den Raum, überall stehen Leinwände und Holzplatten, Farben und Pinsel liegen herum. Auf der Staffelei lehnt ein angefangenes Bild und an einer Wand hängen zwei große, noch leere Leinwände. Er deutet darauf und sagt: „Ich wusste schon beim Grundieren, dass es sehr lange dauern wird, bis ich die bemale.“ Große Formate seien immer eine besondere Herausforderung – die Hürde, sich ihnen zu widmen, sei größer.

Mattania Bösiger wurde 1991 in Solothurn geboren. „Gezeichnet habe ich schon immer“, erzählt er. Nach einer Ausbildung zum Hochbauzeichner absolvierte er einen Vorkurs in Biel, begann ein Studium in Basel und sammelte mehrere Jahre Berufserfahrung als Szenograf. Irgendwann entdeckte Mattania dann das Malen auf Holzplatten für sich. 2020 lebte und arbeitete er im Rahmen eines Residency Programms an der City des Arts internationales in Paris, bis ihn die Pandemie zurück in die Schweiz zwang. Wohnung und Atelier hatte er zuvor gekündigt, so dass er zwei Monate bei seinen Eltern unterkommen musste. Sein Vater hatte noch einige Holzplatten rumliegen, das einzige Material, das ihm in dieser Zeit für seine Malerei zur Verfügung stand. Begeistert erzählt er davon, wie er entdeckte, dass es auf diesen Platten ein ganz anderes Malen sei. „Ich kann vielmehr ins Detail gehen“, was bei seinen Arbeiten von großer Bedeutung ist. Zuvor hatte er immer auf Leinwänden gemalt, was er heute vor allem bei großformatigen Werken noch tut. Bei Leinwänden muss er oft gegen die Struktur arbeiten, wobei er zugibt, dass er ein bisschen faul sei, was das Abschleifen der Leinwände anging.

Obwohl die Malerei inzwischen den Kern seines Schaffens bildet, arbeitet Bösiger hin und wieder installativ. Er liebt die Planung und das Zusammenspiel mit dem Raum. Installationen fordern ihn heraus: „Es ist ein ganz anderes Arbeiten als die Malerei“. Es braucht ein höheres Maß an Organisation und erfordert häufig die Zusammenarbeit mit anderen. Auch wenn Mattania gerne mit anderen zusammenarbeitet und dies auch schon des Öfteren getan hat, mag er es trotzdem für sich zu sein. Gerade beim installativen Arbeiten ist die Abhängigkeit von Anderen einfach sehr groß. „Ich glaube, das ist der Grund, warum ich male“, sagt er. Dabei ist er auf niemanden angewiesen, kann alle Schritte selbst durchführen und hat die alleinige Kontrolle. Dabei folgt sein Arbeitsalltag einer recht geregelten Routine: Täglich, meist bereits ab acht oder neun Uhr morgens, findet man ihn in seinem Atelier. Oft beginnt er den Tag mit einer Tasse Kaffee und einigen organisatorischen Aufgaben, bevor er in den kreativen Schaffensprozess eintaucht – dabei läuft meist Musik oder ein Podcast. Doch so strukturiert sein Alltag auch ist, so einfach ist das mit dem künstlerischen Anteil nicht. Er ist alles andere als gleichförmig. Es gibt Wochen, in denen er scheinbar nicht vorankommt, obwohl er täglich arbeitet, und andere, in denen in wenigen Tagen mehrere Bilder entstehen.

Ein zentrales Element in Bösigers künstlerischer Auseinandersetzung ist der Einfluss der digitalen Welt. Besonders die Zeit während der Pandemie prägte diese Auseinandersetzung: Er lebte auf dem Land, spazierte durch den Wald, eigentlich war alles recht friedlich. Dennoch war er ständig online, konfrontiert mit Nachrichten aus aller Welt. „Diese Bilder schwappen in unsere Realität und beeinflussen unsere Stimmung, ohne dass wir es bewusst merken“, sagt er. Gerade dieses Spannungsfeld zwischen digitaler Bildwelt und realer Erfahrung fasziniert ihn. In diesem Zusammenhang entstanden seine ersten collagenartigen Arbeiten. Ein wiederkehrendes Motiv in dieser Serie ist der Bildschirm selbst. Fragmente werden als Tabs in die Collage reingesetzt, ebenso ist der Mauszeiger oft zu entdecken. Andere Gegenstände, die in seinen Collagen zu finden sind, sind unter anderem Objekte, die ihn faszinieren, Dinge, die er schön findet oder die ihm im Alltag begegnen. Dabei kommen auch seine Vorlieben für Möbel und Kaffeekannen durch. Oft entstehen seine Werke aus einem Spiel mit Komposition und Materialität, das er mit der Struktur eines Haikus vergleicht: Elemente werden bewusst zueinander in Beziehung gesetzt, wobei Raum für individuelle Assoziationen bleibt. Ihn freut, dass alle Betrachtenden andere Assoziationen mit den Gegenständen haben. „Für dich kann eine völlig andere Story entstehen als für mich“. Er schätzt diesen Freiraum.

Ein besonders prägnantes Sujet in seinen Werken ist das Feuer, das in vielen seiner Bilder auftaucht. Für ihn symbolisiert es keine konkrete Katastrophe, sondern eine Art Unruhe, die in unserer modernen Welt allgegenwärtig ist. Er erzählt, wie absurd es sei, wenn er online nach Bildvorlagen suche: „Ich habe dann irgendwann gemerkt, dass ich die nach ästhetischen Punkten aussuche, also wie ich mir vorstelle, dass ein Waldbrand aussehen soll, so dass ich Lust habe den zu malen.“ Er reflektiert dabei auch die Distanz, die wir als Beobachter*innen zu solchen Bildern haben und jene, die während seiner Arbeit an diesen Bildern entsteht. Dabei tritt der Inhalt des Motivs in den Hintergrund, während die formalen Aspekte, das Spiel von Licht, Farbe und Komposition, für ihn in den Vordergrund rücken. Ein weiteres wiederkehrendes Thema ist Porzellan. Er malt Pilze aus Porzellan, Aschenbecher und Obstschalen. Sie erinnern an Stillleben, aber nichts an ihnen ist natürlich. Sie irritieren. Zum einen, weil sie nicht in ihrer natürlichen Beschaffenheit, sondern als Porzellanobjekte gemalt sind. Aber mehr noch, weil sie im besten Sinne erfunden sind. Pilze wachsen aus Büchern, Äpfel sitzen auf dem Rand der Obstschale. Digital kann Mattania diese Illusionen erschaffen. Er modelliert sie zuerst am Computer, lässt Objekte überschneiden oder schiebt sie ineinander. „Das Digitale ist mittlerweile ein großer Teil unseres Lebens, also finde ich es logisch, dass es auch unsere Malerei beeinflusst“, sagt er. Dann überträgt er seine digitalen Skizzen in analoge Malerei. Dabei passiert etwas Spannendes. „Ich male etwas super realistisch, was aber analog so zum ersten Mal überhaupt existiert. Davor war es eine Datei.“ Große Vorbilder hat er keine, lässt sich aber dennoch gerne inspirieren. Er berichtet, wie Matisses Atelieransicht ihm einen völlig neuen Blick auf Raum und Komposition eröffnete.

Oder wie die Künstler Thomas Huber und Hans Emmenegger ihn motivierten, seinen eigenen künstlerischen Raum zu schaffen und immer wieder neu zu definieren. Für Mattania ist es entscheidend, offen für neue Wege zu bleiben, stets zu experimentieren und sich nicht von bestehenden Normen einschränken zu lassen. So ist sein künstlerisches Schaffen ein kontinuierlicher Dialog zwischen digitaler Welt und analogen Techniken. In seinen Arbeiten beschäftigt er sich mit bestimmten Fragen unserer Zeit: Wie beeinflusst die digitale Flut unsere Wahrnehmung? Seine Bilder liefern dafür Ansätze einer Antwort. Sie wirken vertraut und fremd zugleich. Sie zeigen, wie stark unser visuelles Empfinden von der digitalen Welt geprägt ist und laden dazu ein, diese Beziehung bewusster wahrzunehmen. Malerei ist seine Denkweise.

Als ich das Atelier verlasse, nehme ich es anders wahr als zu Beginn. Was zunächst wie ein klassisches Maleratelier erschien, ist nun ein Ort, in dem sich Gedanken in Farbe und Form übersetzen, in dem Ideen Gestalt annehmen und sich wieder auflösen. Es ist nicht nur ein Raum der Produktion, sondern ein Labor des Sehens, ein Ort, an dem Bilder nicht nur gemalt, sondern erforscht werden.

Dieser Text entstand im Rahmen des Hauptseminars „Kunstkritik: Zeitgenössische Kunst zum Sprechen bringen“ im WS 2024/25 am Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Freiburg.