Activating! Handlungsvorstellung als Werk: Die Dinge kommen in Bewegung

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Franz Erhard Walther, Nürnberger Raum, 2017, © 2025, ProLitteris, Zürich, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2025, Foto: Finn Curry
Review > Basel-Muttenz > Kunsthaus Baselland
17. März 2025
Text: Dietrich Roeschmann

Activating! Handlungsvorstellung als Werk.
Kunsthaus Baselland, Helsinki-Str. 5, Basel-Münchenstein.
Dienstag bisFreitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 20.00 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 23. März 2025.
www.kunsthausbaselland.ch

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Rosalind Nashashibi, The Invisible Worm, 2024, Filmstill © Rosalind Nashashibi, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2025, Foto: Finn Curry
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Juliette Uzor, Kulisse (corporate fantasy), 2023, Courtesy the artist und oh la la performing arts production, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2025, Foto: Finn Curry
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Annika Kahrs, Le Chant des Maisons, 2022, Videostill, Courtesy Annika Kahrs & Produzentengalerie Hamburg, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2025, Foto: Finn Curry

„Aktivierung“ ist in der Kunst momentan ein gern und viel gebrauchtes Wort. Vielleicht weil es so unternehmungslustig klingt: Alles bereit, los geht’s! Oder weil es suggeriert, die Lage im Griff und das Ziel im Blick zu haben. Aktivierung bezieht sich auf Beteiligungsprozesse. Dinge, die stillstehen, kommen in Bewegung ­– und wir selbst sind es, die es in der Hand haben. Im Kunsthaus Baselland widmet sich derzeit eine Ausstellung dem Aktivieren als „Handlungsvorstellung“, und das in mehrfacher Hinsicht: als Imagination, als Angebot zur Partizipation und als Aufführung. Einer, der sich damit und mit der produktiven Spannung zwischen den einzelnen Aspekten gut auskennt, ist Franz Erhard Walther. Der 85-Jährige gilt als Pionier der partizipativen Kunst. In einer der Hallen im Kunsthaus Baselland hängt seine Installation „Nürnberger Raum“, bestehend aus 19 Objekten in eindringlichen Farben, aus grobem Stoff gefertigt, gebügelt und gestärkt, mit Gurten, Bändern, Litzen und Schleifen versehen. Die textilen Werkstücke stammen aus der Zeit von 1978 bis 2015. Es ist eine ikonische Arbeit, die – wie viele Installationen Walthers – als Bild ebenso gut funktioniert wie als Fundus für Handlungen, deren Sinn allein darin besteht, für einen Moment eins zu werden mit den Formen und Passstücken, die Walther bereitstellt. „Alle Menschen können ein Kunstwerk werden“, lautet sein Angebot zur Interaktion. Dass zum Ausstellen dieser Arbeiten immer wieder auch öffentliche Anproben gehören, versteht sich von selbst. Wie komisch das sein kann, zeigt eine Videodokumentation, die sommerlich gekleidete Menschen dabei beobachtet, wie sie in Stoffquader, Röhren oder steife Mantelmodelle schlüpfen und dabei zu Skulpturen mutieren.

Auch die junge Performancekünstlerin Juliette Uzor (*1992) arbeitet mit Stoff. Für ihre Installation in Basel hat die Ostschweizerin Stiche aus einem Anatomiebuch des 18. Jahrhunderts bearbeitet und sämtliche Ansichten von Skeletten wegretouchiert. Übrig blieben die Landschaften und Interieurs, in denen sie posierten. Auf Textilbahnen gedruckt, hängen diese jetzt dicht gestaffelt im Raum und bilden eine Art Bühnenhintergund. Eine Garderobe mit ein paar Kleidungsstücken und ein sich langsam bewegender Perlenvorhang schaffen eine diskrete Atmosphäre der Erwartung. Was wird hier passieren? Damit sind wir mitten in Uzors Arbeit. Auch wenn sich äußerlich nichts tut, verändert sich die Installation allein durch unsere Bereitschaft, uns vorzustellen, was das Setting auslösen könnte. Indem wir uns durch den Raum bewegen sind wir bereits Teil der Aufführung.  In Annika Kahrs (*1984) Videoarbeit „Le Chant des Maisons“ dagegen ist es die Geräuschkulisse von Renovierungsarbeiten, die das Handeln der Menschen in Gang setzt. In einer entweihten, sanierungsbedürftigen Kirche im Lyoner Stadtteil Croix-Rousse formieren sich hier ein Chor und eine Blaskapelle zu einem Lied, das – begleitet vom Klopfen der Hämmer. und dem Sirren der Bohrschrauber – auf die Aufstände der Seidenweber anspielt, die das heutige Szenequartier zu Beginn der Industrialisierung prägten. Stimmen, Töne und und Alltagsgeräusche verbinden sich hier zu einem Sound, der auf exemplarische Weise Gemeinschaft sinnlich erfahrbar macht. Wie fragil diese sein kann, aber auch wie machtvoll und einengend, umkreist die palästinensisch-britische Künstlerin Rosalind Nashashibi (*1973) in ihrem poetischen Video „The Invisible Worm“, inspiriert von William Blakes Gedicht „Die kranke Rose“ über die destruktive Kraft der Liebe.

Überraschend ist in diesem Zusammenhang die Präsentation von Arbeiten der Graduierten des Studiengangs Doing Fashion an der benachbarten HFG Basel FHNW. Zwei Dutzend gestaltete Dropflags und ebensoviele Mappenobjekte erzählen hier von der Vielfalt der Perspektiven auf Mode als Ort der Auseinandersetzung mit Körper, Identität, Konsum und Nachhaltigkeit. Im Vordergrund scheint hier vor allem ein pragmatischer Aspekt von Aktivierung zu stehen – die der Partnerschaft zwischen Kunsthaus und Hochschule.