Barbara Probst: Subjective Evidence.
Sprengel Museum, Kurt-Schwitters-Platz 1, Hannover,
Dienstag 10.00 bis 20.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 19. März 2025.
[— artline>Nord] Eine Hand greift nach einem roten Apfel. Ein gelbes Taxi passiert eine Kreuzung. Eine junge Frau im gestreiften T-Shirt kehrt uns den Rücken zu und schaut aus dem Fenster. Zwölf Fotografien hat Barbara Probst (*1964) in blockartiger Hängung zu einer Gruppe kombiniert. Was auf den ersten Blick wie ein Mosaik zusammenhangloser Motive anmutet – eine Collage aus Farb- und Schwarz-Weiß-Aufnahmen, Stillleben und Street Photography, Nah- und Fernsicht –, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein einziger Moment, festgehalten aus zwölf Kameraperspektiven. Der Titel gibt Auskunft über Ort und Zeit auf die Minute genau: „Exposure #106: N.Y.C., Broome & Crosby Streets, 04.17.13, 2:29 p:m“.
Seit dem Jahr 2000 entwickelt die in New York und München lebende Künstlerin ihre „Exposure“-Serie, wobei Sie jede Arbeit mit fortlaufender Nummer, Orts- und Zeitangabe versieht. Jetzt zeigt das Sprengel Museum Hannover eine umfangreiche Auswahl ihres Werks unter dem Ausstellungstitel „Subjective Evidence“ (Subjektive Beweise). Das Motto macht klar: Hier wird das Publikum Detektivarbeit leisten müssen. Ob im Diptychon, Triptychon oder in vielteiligen Ensembles, immer zerlegt Barbara Probst ein momentanes Ereignis aus unterschiedlichen Perspektiven in einzelne Bildfragmente. Indizien einer Wirklichkeit, die nie als Ganzes wahrgenommen, sondern erst im Nachhinein rekonstruiert werden kann. Die Wahrheitsbehauptung der Fotografie macht Platz für die Erkenntnis ihrer Mehrdeutigkeit.
Dabei legt Probst ihre Arbeitsweise offen, indem sie ihre auf Stativen montierten Fotokameras mit in Szene setzt und so eine Reflexion über unsere Wahrnehmung anstößt. Was sehen wir von welchem Standpunkt aus? Und was sehen wir nicht? Welcher dreidimensionale Raum ergibt sich aus der Zusammenschau der zweidimensionalen Bilder? Probst hat Bildhauerei in München studiert, bevor sie an der Kunstakademie Düsseldorf mit der Fotografie begann. Ihr Zugang bleibt ein räumlicher, sie umkreist ihre Gegenstände wie eine Skulptur. Und manchmal steht sie selbst im Zentrum. Besonders schön im Triptychon „Exposure #185: Munich, Niederlingerstrasse 68, 04.21.23, 2:35 pm“. Da sieht man sie im Mittelteil, die Kamera im Anschlag, aus der Vogelperspektive, links erscheint sie im Profil vor einem verschneiten Tannenwald, der sich durch Klebestreifen am Rand als Fototapete entlarvt, und rechts vor der Projektion eines brennenden Wagens. Feuer und Eis: Man ist versucht, das als Symbol für Probsts kühlen analytischen Blick und ihre leidenschaftliche Hingabe an die Kunst zu deuten.