Gert und Uwe Tobias: Das Blaue vom Himmel.
Kunsthalle Tübingen, Philosophenweg 76, Tübingen.
Dienstag, Mittwoch, Freitag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 19.00 Uhr.
Bis 11. Mai 2025.
www.kunsthalle-tuebingen.de
Gert und Uwe Tobias sind Künstler und Zwillinge. Seit Ende 1999 realisieren die 1973 in Siebenbürgen geborenen Brüder ihre Arbeiten gemeinsam und hatten schnell international Erfolg, 2007 stellten sie etwa im Museum of Modern Art in New York aus. Nun sind sie in Tübingen mit „Das Blaue vom Himmel“ zu sehen. Gert und Uwe Tobias skizzieren zuerst getrennt, begutachten und diskutieren dann gemeinsam ihre Entwürfe und entscheiden, was sie in andere Medien überführen. Zum Zwiegespräch fungiert ihnen die Zeichnung, die auch den ersten Raum in der Kunsthalle Tübingen einnimmt. Dessen Wände sind zur Gänze von surrealen Bilderfindungen mit Vogelwesen und anderen skurrilen Wesenheiten und arabesken Linien in Bleistift und Acryl bedeckt. Die Motive und Symbole entstammen der Folklore Rumäniens und werden in humorvolle Metamorphosen versetzt.
In einem kurzen Film mit Aufnahmen aus ihrem Kölner Atelier kann man den Arbeitsprozess der Brüder Tobias verfolgen. Akribische Planung mischt sich mit Spontaneität und Zufall, Zeichnung mit Malerei: Da werden zahlreiche einzelne Holzformen frei gleitend mit der Dekupiersäge ausgeschnitten und auf Papier oder Leinwand mit Einsatz der Turnschuhsohle in malerisch anmutenden Kompositionen abgedruckt. Die Formen entstehen aus eingescannten Zeichnungen, die mit dem Computer für die Puzzlespiele der Brüder modifiziert wurden. In einem weiteren Raum der Kunsthalle finden sich „Schreibmaschinen-Zeichnungen“ der zwei. Indem sie mit der Schreibmaschine übereinander und nebeneinander tippten, schaffen sie Arbeiten, die teils an folkloristische Kreuzstich-Textilien erinnern, teils an visuelle Poesie. Ein stets wiederkehrendes Motiv: die Eule. Einerseits symbolisiert sie Weisheit, andererseits gilt sie als ein schlechtes Omen. Außerdem kennt man sie als Bote zwischen dem Diesseits und Jenseits.
Mit der Schwelle zwischen Leben und Tod befassen sich auch die Stillleben der Brüder, die den verschiedenen Spielarten von Jagdstillleben und Interieurs aus dem 17. Jahrhundert nahestehen, denn ab 2010 haben sich Gert und Uwe Tobias vermehrt mit der Kunstgeschichte auseinandergesetzt. Hier findet man Schmetterlinge und andere überzeichnete Insekten als Vanitassymbole. Zugleich hauchen die Brüder den Stillleben mit surrealistischen Gestalten, die dort zu Tisch sitzen, ein burlesk-gespenstisches Leben ein. Wunderliche Figuren bevölkern auch ihre Porträts, die sich teils abstrakt, teils gegenständlich aus Augen, Zungen, Händen, Brüsten, Masken und allerlei Ornamentik zusammensetzen. Silberfarbene Hintergründe wie in der Ikonenmalerei oder eine Pietà-Darstellung verankern sie auch in der Kunstgeschichte.
Die Zeit der Pandemie hat sich in den Arbeiten in Form von Käfigmotiven niedergeschlagen, in denen sich Einsamkeit und Eingesperrt-Sein während der Lockdowns spiegeln. Ein weiteres Motiv sind Fliegen, die in der Kunstgeschichte das malerische Können unterstreichen und zugleich als Vanitassymbol dienen. Sie treten in Gestalt von babyblauen Keramikplastiken auf, die mit düsterem Schwarz kontrastieren. Wie aus dem Bild gefallen liegen sie rücklings auf dem Boden.
Die Brüder erobern die dritte Dimension aber auch mit Assemblagen und Skulpturen auf kleinen Wandborden: Die abgeschnittenen Teile der Druckplatten sind nun wie in der Konkreten Kunst selbst zur Realität erhoben. Für eine weitere Arbeit nutzten die Brüder Druckplatten-Fragmente zum Drucken auf schwarzen Grund für eine Arbeit über zwei Wände hinweg. Die Wandarbeiten, die Assemblagen und eine Bodenskulptur ergeben eine ganze Installation. In ihren jüngsten Arbeiten begeben sich Gert und Uwe Tobias in himmlische Gefilde. Fantasiewesen, Zierrat, Mobiliar und die unverzichtbaren Vögel purzeln durch fluffige Wölkchen. Diese verweisen auf eine transzendente Dimension – und zugleich auf die unerschöpfliche Fantasie und Poesie.