Helena Uambembe

Helena Uambembe, Blooming in Statis: 25.8230° S, 23.5312° E, Courtesy the artist, Foto: Wolfgang Stahr
Porträt
3. Januar 2025
Text: Rainer Beßling

Helena Uambembe: ars viva 2025 (mit Wisrah C. V. da R. Celestino und Vincent Scheers).

Kunsthalle Bremen, Am Wall 207, Bremen.
Dienstag 10.00 bis 21.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 26. Januar 2025.

www.kunsthalle-bremen.de

arsviva.kulturkreis.eu

Helena Uambembe, Standard Issue (A meditation on things we do not care for), 2024, Installationsansicht Kunsthalle Bremen 2024, Courtesy the artist, Foto: Carolin Weinkopf / Kulturkreis der deutschen Wirtschaft
Helena Uambembe, In Memory We Love, 2023, Courtesy the artist, Foto: Jahmek Contemporary

[— artline>Nord] Auf einem Foto zu einem Pressebericht sieht man Helena Uambembe in ihrem Ausstellungsraum in der Bremer Kunsthalle sitzen. Sie wirkt klein und allein, der Raum groß. Die Abbildung lässt einen Boden mit geometrischer Grundstruktur, verwischtem Schwarz und ornamentalem Muster erkennen. Was das Foto nicht vermitteln kann, ist der Sound, der in den Raum einfällt. Eine Collage aus Kinderlauten und dazwischen Schüsse, fast zu zahm, als dass die Zerstörungskraft der Waffen erfahrbar würde. Mit dem Knallen im Ohr erhalten die Zeichnungen auf dem Kunststoffteppich einen erklärenden Resonanzraum: der anfangs dekorativ wirkende Bodenbelag erweist sich als Ansammlung von Darstellungen, die Kriegsgeschehen repräsentieren. Der Teppich, mit dem die Frauen im militärischen Brandherd um Angola, Südafrika und die Anrainerländer mit häuslichem Dekor zu kompensieren suchten, wird zum Fundament für den Verweis auf eine dramatische Familiengeschichte. Der Ausstellungsraum gleicht einer Gedenkstätte für die erschütternde Gewalt in Afrika.

Helena Uambembe sitzt auf diesem Belag, in diesem Raum. Wir als Betrachtende können uns mit ihr identifizieren. Sie zeichnet, sie gestaltet und spürt einer Erfahrung nach, die sie als Kind gemacht hat. 1994 geboren, als Tochter eines Soldaten, der für das berüchtigte südafrikanische Bataillon 32 gedient hat: private Spurensuche, Erkundung individueller Prägungen, aber auch Ausdruck universeller Fragen nach dem Ich. Wir können ihre Arbeit als persönliche Auseinandersetzung mit ihrer Familiengeschichte sehen. Zugleich lässt sie sich als prototypisch für viele Familienerzählungen betrachten, die ihren Bezugspunkt in den postkolonialen Auseinandersetzungen in Afrika haben. Das Private ist das Politische.

Helena Uambembe ist einer der drei Kunstschaffenden, die mit dem Preis „ars viva 2025“ ausgezeichnet wurden. Neben ihr sind das die Brasilianerin Wisrah C.V. da R. Celestino (1989) und der Belgier Vincent Scheers (1990). Ausgewählte Werke der drei sind derzeit in der Kunsthalle Bremen zu sehen. Der Preis wird seit 1953 vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI vergeben. Ausgezeichnet werden laut Katalog „eine eigenständige Formensprache und ein Bewusstsein für gegenwärtige Fragen zu (Kultur-)Geschichte“. Künstlerische Weltzugänge und -entwürfe seien angesichts aktueller Brüche und Wenden wichtiger denn je. In Celestinos Werk „Privacy“ gelten Gardinen aus dem Familienkreis als Erinnerungsobjekte, zugleich als Sinnbilder für Besitz und Beziehungen, persönliche und wirtschaftliche, familiäre und globale, für Grenzen und Übergänge zwischen öffentlichem und privatem Raum. Scheers spannt raumfüllend einen Druckbehälter an vier Verankerungen auf, in dem sich ein Kopfkissen befindet. Die Verspannung des Objekts und der Druck auf das Kissen lassen physisch und emotional das Moment der Anspannung nachvollziehen: Mechanik, Maschine, der Kontrast von Weichem und Hartem als greifbares Symbol für Zumutungen und Überforderungen.

Uambembe zeigt in Bremen neben ihrer Rauminstallation drei Papierarbeiten, die Soldaten in Uniform zeigen. Baretts und Wappen geben Hinweise auf ihre Zugehörigkeit zum Batallion 32. Angeregt habe sie dazu ein Werbeplakat der Bundeswehr. Die abgebildeten Soldaten kamen ihr sehr jung vor. Da habe sie sich gefragt, ob das deutsche Militär jetzt Kinder rekrutiere.