Neue Stille. Landschaft heute.
Kunstmuseum Heidenheim, Marienstr. 4, Heidenheim.
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr, Mittwoch 13.00 bis 19.00 Uhr.
Bis 16. Februar 2025.
www.kunstmuseum-heidenheim.de
250 Jahre nach Caspar David Friedrichs Geburt fragt die Heidenheimer Ausstellung „Neue Stille“ nach den gegenwärtigen Refugien des Rückzugs. Kann es eine neue „Romantik“ geben im Sinne einer Hinwendung zu Natur, Innerlichkeit und Schönheit? Und was ist eigentlich „Stille“? Die Betrachtung solcher Begriffe muss heutzutage mehrschichtig erfolgen. Gerade auch in der Kunst sind einfache Antworten skeptisch zu betrachten. Jonah Gebkas Gemälde aus der Serie „Night Views“ führen jedenfalls nicht zurück in romantische Landschaftsseligkeit, sondern zu den Bildhintergründen von Apple-Computern. Die geschönten Hintergrundfotos auf den Desktops zeigen menschenleere, perfekte Landstriche. Doch sind es eben virtualisierte und damit künstliche Ausschnitte der Realität, sofern diese Abbildungen überhaupt etwas Echtes zeigen und nicht mittels KI generiert wurden. Was man also mit dem Wort „Romantik“ verbindet, ist entfremdet im Kontext der technisierten Welt. Menschen erscheinen im Anschnitt, stark schematisiert, die Landschaften auf den Bildschirmen sind durch Icons und Suchleisten durchbrochen. Das Sehnen nach Stille und unberührter Natur besteht, doch die Bilder von Gebka (*1989) sagen uns: sie sind eine Idee, ein Einfall von gewieften Marketingabteilungen. Es ist aus mit der Romantik, sobald der Bildschirm schwarz wird.
Unheimlich und unheil wirken auch die Fotografien von Robert F. Hammerstiel (*1957): Parklandschaften, gerne mal mit untergehender Sonne. Stimmungsvolle Szenarien ganz im Sinne der Romantik. Aber der Reiz dieser Natur kann sich nicht entfalten, denn inmitten dieser Parks liegen Menschen. Es wird dem Betrachter kein Hinweis gegeben, was zu dieser Konstellation führte, die Stille dieser „Dark Picnics“ steuert eher auf den Horror zu denn auf romantische Versenkung. Mit seinen „Landmarks“ scheint sich der Künstler da noch einmal in eine andere Richtung bewegen zu wollen. Es sind Ausschnitte aus Landschaften, die in Onlinegames erscheinen: perfekte Idyllen, doch augenfällig synthetisch. Sucht man nach Bildern in Richtung eines Caspar David Friedrich, so ist man mit den kleinformatigen Öl- und Acrylmalereien von Jan Gemeinhardt (*1988) am besten bedient. Er greift die „schwarze Romantik“ auf mit hoch aufgetürmten Wolkenbergen in schummrigen Mooren. Entlaubte nächtliche Wälder und unheimliche Lichtsituationen führen den Betrachter in abgründige Gegenden, surreale Elemente wie eine Kerze auf einer Felskanzel oder ein aus dem Himmel fallendes Licht bringen Dynamik in diese Bilder, die eine angenehme Unheimlichkeit besitzen. Mit den ebenfalls kleinformatigen Malereien des erst 16-jährigen Liron Baum, Träger des Heidenheimer Roland Riegger-Preises, findet man sich ebenfalls in neu-romantischen Gefilden wieder: menschenleere Idyllen und Weltallblicke. Höchst bemerkenswerte Umsetzungen eines produktiven und jungen Autodidakten.
Alles andere als Stille sucht die Arbeit „Under falling Water“ von Jonas Maria Ried und Florian Post: ein Video zeigt verschiedene Zustände einer Holzhütte, die temporär unter einem Wasserfall im Allgäu installiert wurde. Es ist eine echte Schutzhütte mit Bank und Ofen, im Winter von Eiskrusten fast unkenntlich gemacht, im Sommer vom Wassernebel wie in einen Tarnmantel gehüllt. Entschleunigung und Rückkehr zur Natur gibt es hier nur zum Preis von ständig lärmenden, prasselnden Wassermassen und durchdringender Nässe.
Das Motiv des Menschen in der romantischen Landschaft ist zugleich kitschverdächtig und unverändert Sehnsuchtsträger. Etwas berührt uns an den neblig-nächtlichen Orten von Thomas Bergner (*1985). Es sind echte nächtliche, unbearbeitete Fotografien heutiger Landschaften, jede Art menschlichen Eingriffs zeigend, von der Leuchtreklame bis zum hohen Absperrzaun. Doch die Unschärfe, die Dunkelheit, die verschobenen Farben öffnen der Fantasie ein Fenster. Hier blickt der Hauch einer Möglichkeit von Kontemplation und Stille hindurch, obgleich die meisten Arbeiten der Ausstellung keinen Zweifel daran lassen, dass echte Stille heute hart errungen werden muss.