Pia Rosa Dobrowitz

Pia Rosa Dobrowitz, Soft_bond, 2024, Vinyl auf Leinwand 300 x 360 cm, Courtesy the artist © Pia Rosa Dobrowitz
Porträt
18. Dezember 2024
Text: Pia Konyen

Pia Rosa Dobrowitz.

Regionale 25. Regionale Internationale.
Kunsthaus Baselland, Helsinki-Str. 5, Basel-Münchenstein.
Dienstag, Mittwoch und Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 20.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 5. Januar 2025

www.kunsthausbaselland.ch
www.regionale.org
piarosadobrowitz.de

Pia Rosa Dobrowitz, RGB_black1, 2022, Vinyl auf Leinwand, 275 x 395 cm, Installationsansicht Kunsthaus Baselland 2024, Foto: Gina Folly, © Kunsthaus Baselland & Gina Folly
Atelieransicht, Courtesy the artist © Pia Rosa Dobrowitz
Pia Rosa Dobrowitz, oT., 2024, Vinyl auf Leinwand, 300 x 240 cm, Courtesy the artist © Pia Rosa Dobrowitz
Atelieransicht, Courtesy the artist © Pia Rosa Dobrowitz
Pia Rosa Dobrowitz, ©©, 2024, Vinyl auf Leinwand, 300 x 210 cm, Courtesy the artist © Pia Rosa Dobrowitz

Was die Bilder von Pia-Rosa Dobrowitz vermitteln, ist Präsenz. Das ist kein Zustand, von dem man behaupten könnte, er wäre einfach aufrecht zu erhalten. Die Ruhe kommt für gewöhnlich vor dem Sturm, doch wenn sich das Chaos danach gelegt hat, öffnet sich ein Raum für Stille und Reflektion. Zurücktreten kann hilfreich sein, um dann mit gesteigerter Präsenz einen Schritt nach vorne zu tun. So ließe sich die Wirkung von Dobrowitz’ Malerei beschreiben.

Ihr Interesse an großformatigen Bildern entwickelte Dobrowitz (*1991 in Stuttgart) während ihres Studiums an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe, an der sie 2020 ihren Abschluss bei Tatjana Doll machte.

Pia-Rosa Dobrowitz malt mit Vinyl auf Leinwand. Ihre Bilder durchzieht eine stille Monumentalität. Auffallend sind die leuchtenden Farben, starken Kontraste und das Spiel mit klar umrissenen Formen. Auf manchen Bildern wirkt ihre Malweise im ersten Moment sehr analytisch und beinahe perfektionistisch, während andere Arbeiten auf subtile Weise bewusst machen, dass sie von etwas Unvollendetem sprechen. Die Frage, was Malerei ausmacht und wie sie weiterentwickelt werden kann, ohne redundant zu werden und immer wieder dieselben Geschichten zu erzählen, beschäftigt Pia Rosa Dobrowitz schon seit Langem und begleitet sie bis heute in ihren Schaffensprozess.

Neben den zeitintensiven Großformaten widmet sich die junge Künstlerin auch kleinformatigen Arbeiten, meist mit Öl-Pastellkreide auf Papier. Sie selbst beschreibt dieses zeichnerisch geprägte Tun als „On-Going Process“ und als „konstantes Austesten malerischer Überlegungen“. Die Bilder, die dabei entstehen, haben bislang noch keinen Eingang in Ausstellungen gefunden, aber dennoch großen Einfluss auf ihre Vinylbilder.

Diese sind teils bis zu fünf Meter breit und bis zu drei Meter hoch. Sie sprühen vor zeitgenössischem Geist. Das Kunsthaus Baselland, das derzeit eines dieser Bilder im Rahmen der Regioale 25 zeigt, ist ein idealer Ausstellungsort für Dobrowitz’ Malerei. Die Weitläufigkeit der ehemaligen Lagerhalle und der rohe Beton der Wände schaffen eine Atelieratmosphäre. Am liebsten male sie auf liegenden Leinwänden, sagt die Künstlerin, „ich mag den Widerstand des Bodens“. Die Vorskizzen für ihre Bilder entstehen am Computer, die Strukturen und geometrischen Formen, die sie hier anlegt, definieren auch die Kompositionen auf Leinwand. Die monochromen Farbflächen und die starken Kontraste zwischen den unterschiedlichen Bildelementen erzeugen eine intensive Wirkung, die jedoch bewusst nicht aufs Emotionale zielt. „Mein Vorgehen ist sehr analytisch und planvoll“, sagt Dobrowitz. „In meiner Malerei geht es mir nicht darum, Gefühle zu erzeugen, weder bei mir noch bei den Betrachtenden – Emotionen sind in der Malerei ohnehin nicht planbar, auch wenn sie sich bei manchen trotzdem einstellen mögen. Aber viel interessanter finde ich, was in dem Moment tatsächlich zu sehen ist, in dem man vor dem Bild steht. Für das Auge ist das Gesehene das, was ist. Es kennt kein Gefühl.“

Pia Rosa Dobrowitz denkt Malerei nicht in Sujets wie Landschaft oder Porträt. Figürlichkeit interessiert sie nicht. Im Zentrum steht bei ihr das Nachdenken über die Frage, was ein Bild ist. Sie versteht ihre malerische Praxis als Auseinandersetzung über die Bedingungen der Malerei und des Sehens. „Interessant ist für mich, ein visuelles Gedächtnis anzulegen“, beschreibt sie ihr Vorgehen. Dazu gehören nicht nur Motive, Farben und Formen, sondern auch Fragen des Malprozesses selbst, des Ausschnitts und des Formats. „Größe muss nicht zwangsläufig mit Überwältigung und Erhabenheit verknüpft sein“. Sie kann andere Gründe haben.
Vom Boden aus, wo sie ihre Leinwände bemalt, landen ihre Bilder oft unmittelbar an der Wand. Sie werden nicht auf Keilrahmen aufgezogen, sondern mit Klammern auf den Putz getackert. Die absolute Flachheit lässt die Bildträger beinahe eins werden mit dem Ort, an dem sie gezeigt werden. Diese unkonventionelle Präsentationsweise passt gut zu der Direktheit, mit der Dobrowitz ihre Bilder immer auch als Ergebnis eines Arbeitsprozesses sichtbar macht. Davon zeugen oft Fußabdrücke, zufällige Farbspritzer oder Pinselspuren, die in Kontrast zu der klaren Formensprache ihrer Bilder und zu der sorgfältigen Schichtung der Farben stehen.

Inspiriert von historischen Strömungen wie der Hard Edge Malerei der 1960er Jahre, vom Radical Painting oder Malern wie Barnett Newman, interessiert sich Dobrowitz auch für die Frage nach dem Grundvokabular der Malerei. Das Publikum ist davon nicht ausgenommen. Viele ihrer Bilder zeigen vertikale Linien oder durch Negativräume kreierte Sichtachsen, die die Betrachtenden auf ihre eigene Anwesenheit vor dem Bild aufmerksam machen. Kontraste entstehen hier nicht nur als Effekt der Konfrontation von zwei Farbflächen, sondern werden selbst zu Bildelementen, ebenso die oft eindrücklichen Bildformate. Dobrowitz wählt sie sehr bewusst, denn grundsätzlich wäre jedes Format denkbar. Im digitalen Entwurf könnte sie ihre Vorskizzen theoretisch in unendliche Dimensionen erweitern oder extrem verkleinern. Dieser digitale Aspekt ihrer Malerei verdeutlicht ihre analytische, geplante Arbeitsweise, was jedoch nicht heißt, dass Dobrowitz keinen Raum für das Ungesteuerte ließe. „Eine Idee kann antiproduktiv sein und man kann sich dadurch selbst behindern, weil man sich unbewusst manipuliert“, sagt sie.

Auch anderes entzieht sich der Kontrolle der Künstlerin. Zum Beispiel, wie Menschen ihren Bildern zum ersten Mal begegnen – vielleicht mit der Erwartung von Geschichten oder von Landschaften –, und die dann Mühe haben zu entscheiden, ob sie ganz nahe herantreten sollen, um etwas zu sehen, oder ganz weit weg. Das Wegtreten verlagert den Fokus von den Bildern auf die betrachtende Person, die Mattheit der intensiven Fraben wiederum lässt sie eintauchen in den Bildraum. Durch diese Gleichzeitigkeit von gedanklichen, farblichen und materiellen Reizen werden die Sinne der Betrachtenden auf ein Maximum angeregt. Dobrowitz’ Bilder entwickeln auf diese Weise eine große Anziehungskraft und bewegen sich zugleich immer auch an der Grenze der Überforderung.

Dieser Text entstand im Rahmen des Hauptseminars „Kunstkritik: Zeitgenössische Kunst zum Sprechen bringen“ im WS 2024/25 am Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Freiburg.