Luna Haser

Luna Haser
Luna Haser, Fische, 2024, Foto: Jule Würfel, courtesy the artist
Porträt
18. Dezember 2024
Text: Nadjeschda Bamler

Luna Haser.

Regionale 25.
Delphi_Space, Brombergstr. 17c, Freiburg.
Freitag bis Samstag 17.00 bis 20.00 Uhr, Sonntag 15.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 5. Januar 2025.

www.delphi-space.com
www.luna-haser.de

Luna Haser
Luna Haser, Fische, Detail, 2024, Foto: Jule Würfel, courtesy the artist
Luna Haser
Luna Haser, Gartenstuhl, 2023, Foto: Jule Würfel, courtesy the artist

Es ist die letzte Novemberwoche des Jahres. Luna Haser kommt mit dem Fahrrad und einem gewinnenden Lächeln zu unserem Treffpunkt: das Café Scheinpflug in ihrer Heimatstadt Freiburg, wo sie 1993 geboren wurde. Nun lebt sie seit elf Jahren in Leipzig, hat dort an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert, ist Meisterschülerin von Kerstin Drechsel und unterrichtet an der Abendakademie, einem Studienprogramm der Kunsthochschule Leipzig.

Auch in diesem Jahr eröffnen in Freiburg, wie auch in Basel und im Elsass zahlreiche Kunstinstitutionen im Rahmen der Regionale 25 ihre Ausstellungen. Luna Haser zeigt im Delphi_Space ihr Bild „Fische“, das in diesem Jahr entstanden ist. Zwei Reihenhäuser mit schrägen Dächern und leeren Fenstern zeichnen sich im Hintergrund ab. Vor diesen eine Reihe aus neun Kindern, die räumlich von einem Lattenzaun vom Hintergrund getrennt werden. Jedes einzelne ist gekleidet in einen bunt-gemusterten Pullover und wird dabei von einem eigenen orangenen Schein umhüllt. Voneinander isoliert und doch miteinander verbunden blicken sich die Figuren mit teils verschränkten Armen streng in ihrer Umgebung um. In ihrer Gruppierung scheinen sie sich an der senkrechten Mittelachse des Bildes zu spiegeln. Zwischen realen Orten und surrealen Elementen schwimmen im Vordergrund des Bildes ganz konkret Enten in einem Teich sowie die im Bildtitel genannten: „Fische“.

Luna Hasers Malweise, intuitiv. Der Titel entsteht am Ende und meist pickt sie einen Gegenstand auf der Bildfläche heraus. „Ich weiß am Anfang nicht, was passiert“ sagt sie. Im Verlaufe ihres Schaffensprozesses entstehen Beziehungen zwischen Flächen, Farben und Figuren, die die Essenz ihrer Arbeiten bilden. Da eine weiße Leinwand zu wuchtig erscheint, färbt die Künstlerin diese zunächst ein. Dies bestimmt die Grundstimmung des Werkes: von Rot über Grün und Blau, von warm bis kalt ‒ eine Fläche, die alle Möglichkeiten offenlässt, Strukturen entstehen zu lassen und diese zum Leben zu erwecken, denn sobald: „man mit der Linie anfängt, beginnt auch die Geschichtsschreibung im Bild.“ Versiegelt mit Hasenleim, um im Anschluss das Auftragen neuer Farbschichten zu ermöglichen, setzt Luna Haser mit Buntstiftzeichnungen, Öl und oder Acryl an, um zu zeichnen. Sie platziert Figuren in gezeichneten Umgebungen, auf der Suche nach einer kompositorischen Raumaufteilung, durch welche sich diese Formen in einer spannungsvollen Dynamik zwischen Sicher- und Unsicherheit zueinander verhalten.

„Wenn man einen Fleck hat, dann gibt es einen Anderen, der als Gegenpol agiert. Dazwischen entsteht automatisch eine Beziehung. Sobald ich formal etwas verändere, wirkt sich das auf die inhaltliche Thematik aus. So ist das auch mit den Figuren. Was zwischen ihnen auf den Bildern passiert, fand ich immer aufregend.“ Es entwickelt sich eine eigene Formensprache, die überlappende Flächen, Farben und Figuren aufbrechen lässt. Ein intensiver Dialog zwischen Raum und Körper, zwischen Figuren und Formen, zwischen der Kunst und den Kunstschauenden.

Denn im selben Zug stellt sich eine Beziehung zwischen uns Betrachtenden und den Figuren ein. Die individuellen, in der Mimik fein detailliert gezeichneten Gesichter machen uns neugierig, was sie fühlen und denken könnten. Während ihres Erasmusaufenthalts 2021 in Oslo beschäftigte sich Luna Haser besonders mit der Frage nach dem Zusammenspiel von Geist und Körper. Ist Denken und Fühlen eins? Sind Körper und Geist gesondert voneinander zu betrachten? Was ist das verbindende Element? Gibt es eines? In vielen von Hasers Werken haben die Figuren mehr als ein Paar Hände. Hände, die spüren, ziehen, fassen und greifen, die schützen oder halten. Hände, die ausgesprochene Gedanken mittels Gesten unterstützen. Doch auch andersherum ist die Sprache unseres Körpers wichtig, reflektiert Luna Haser weiter: „Man denkt ja auch mit dem Körper. Eine Katze erschreckt sich zum Beispiel zuerst in ihrer Bewegung oder man fühlt sich unwohl und setzt sich anders hin, bevor man weiß, woran es liegt.“

Während ihres Auslandsaufenthalts in Norwegen versuchte Luna Haser ihre bisherigen kompositorischen Regeln zu durchbrechen und der räumlichen Verortung zu entfliehen. Sie begann auf Meter langen Papierrollen zu zeichnen. Sie legte sich während des Malprozesses direkt auf das Papier, um die Gesamtheit der Arbeit nicht erfassen zu können, um sich selbst zu täuschen, um neue Perspektiven zu schaffen für den Körper auf der Malfläche.

Oslo als Ort und Umfeld prägte ihre Arbeitsweise nachhaltig. „Ich hatte 16 Kilo Ölfarbe dabei“ erzählt sie, „doch Öl auf Papier hat für mich nicht funktioniert“. Dann mit Buntstiften auf Papier. Doch hier fehlte Luna Haser die Stofflichkeit der Leinwand, die mehr Objekt ist als das Papier und die sich in die Kunstgeschichte einreiht. Heute ist es das Miteinander aus Leinwand, Acryl, Öl und Buntstift, das ihre Arbeiten ausmacht.

Dieser Text entstand im Rahmen des Hauptseminars „Kunstkritik: Zeitgenössische Kunst zum Sprechen bringen“ im WS 2024/25 am Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Freiburg.