Politics of Love. Empathie und Solidarität als Gegenentwurf zu der von Autokratenfreunden kontaminierten Rede vom Frieden

Wolf Vostell, Ich erkläre den Frieden zum größten Kunstwerk!, 1979, © VG Bild Kunst, Bonn 2024 / The Wolf Vostell Estate
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13. Dezember 2024
Text: Falk Schreiber

Politics of Love.

Kunsthaus Hamburg, Klosterwall 15, Hamburg.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 2. Februar 2025.

www.kunsthaushamburg.de

Lulu Macdonald, (Un)Latch, 2021, Courtesy die Künstlerin, Foto: Hayo Heye
Amna Elhassan, Jump Higher, 2023, Courtesy die Künstlerin
Monilola Olayemi Ilupeju, Truce, 2023, Courtesy A plus A Gallery

[—artline Nord] Am Kunsthaus Hamburg hat man eine gewisse Erfahrung darin, Ausstellungen griffig nach Popsong-Titeln zu benennen. „Politics of Love“, das hat einen hübschen Achtzigerjahre-Vibe und packt einen ähnlich wie „Dance Dance Revolution“, „Once in a Blue Moon“ und „Ah Humanity!“

Tatsächlich bezieht sich die von Belinda Grace Gardner und Anna Nowak kuratierte Gruppenausstellung allerdings auf ein 40 Jahre altes Projekt, dessen Terminologie mittlerweile von der Zeit überholt wirkt: 1984/85 hatte Robert Filliou, damals Gastprofessor an der HfBK, unter dem Titel „Biennale des Friedens“ alles nach Hamburg eingeladen, was in der Fluxus-Szene gerade angesagt war. Weil „Frieden“ mittlerweile aber von der politischen Rechten dazu missbraucht wird, angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine eine Unterwerfung der Angegriffenen zu fordern, konzentrieren sich Gardner und Nowak auf ein einerseits naheliegendes, andererseits leicht modifiziertes Konzept und finden: die Liebe. „Politics of Love“ beschreibt also künstlerische Positionen zu Themen wie Empathie, Gemeinwohl und solidarisches Zusammensein.

Der Bezug zur 1985er-Ausstellung wird dabei durch eine Wand hergestellt, auf der in die Vergangenheit geblickt wird: mit dem Schriftzug „Wanting Peace Preparing for Peace“ von Initiator Filliou (1985), mit dem Stempel „Ich erkläre den Frieden zum größten Kunstwerk“ (1979) von Wolf Vostell, mit Sabine Mohrs Fadeninstallation „Das Dritte versuchen, das Eine finden“ (1985), schließlich mit einem Video Tilmann Künzels, das das „Simultankonzert an drei Flügeln“ zur Eröffnung der 1983er-Ausstellung mit Joseph Beuys, Nam June Paik und Henning Christiansen dekomentiert. Was natürlich in erster Linie eine historische Qualität besitzt, dabei aber auch den Aufbau der übrigen Schau prägt. Will sagen: Radikal zeitgenössisch geht es auch mit den Exponaten aus dem 21. Jahrhundert nicht zu, formal bewegt sich „Politics of Love“ konsequent im Spannungsfeld Video, Installation und Malerei.

Allerdings nicht ohne Charme. Lulu Macdonalds Installation „(Un)Latch“ (2021) etwa ist ein an Jugendstil-Objekte erinnerndes Stahltor am Eingang zum Ausstellungsraum, das im offenen Zustand zwei einzelne Gesichter zeigt, die sich beim geschlossenen Tor zu einem Kuss zwischen der Künstlerin und ihrer Mutter vereinigen. Hübsch, einleuchtend, bisschen kitschig vielleicht. Vor allem aber ein Kunstwerk, das einerseits seinen ästhetischen Reiz hat, andererseits aktiviert werden will, im Sinne von: durchschritten. Ebenso Dan Petermans „Love Podium“ (2018), eine Reihe von Holzelementen, die als Rednerpulte eine Spannung im Raum aufbauen, die sich ebenfalls erst vollständig erschließt, sobald der Betrachter es wagt, die Pulte zu besteigen. Diese Raumspannung trägt die Ausstellung, weil sie konventionellere Exponate wie Nicholas Odhiambo Mboyas Gemälde „Burden of Honour I & II“ (2024) kontextualisiert, ähnlich wie Hiwa Ks Performance „Cooking with Mama“ (2021) einen Kontext herstellt für Anna Elhassans „Food Lines“-Installation (2024): Es geht um kollektives Essen als solidaritätsstiftendes Moment, und das weist weit über den etwas klein gedachten künstlerischen Entwurf hinaus.

Eine Reihe von Arbeiten transzendiert den Begriff der Grenze und der Abgrenzung: Isaac Chong Wais „Leaderless Flag“ (2020) etwa, oder Francis Alÿs Zweikanal-Video „Miradores“ (2008), das die Straße von Gibraltar einmal von Süden, einmal von Norden zeigt und dabei die Idee menschlicher Grenzziehungen ad absurdum führt. Was zwar den Begriff der „Politics of Love“ weit ins Allgemeine dehnt, dabei aber eine gewisse gesellschaftliche Sprengkraft gewinnt. Und das zeigt, dass das Sloganizing der Kunsthaus-Ausstellungstitel durchaus seine Qualität hat: Politischer als „Biennale des Friedens“ ist „Politics of Love“ auf jeden Fall.