Tarek Atoui.
Kunsthaus Bregenz, Karl-Tizian-Platz, Bregenz.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 12. Januar 2025.
www.kunsthaus-bregenz.at
Es klingt, rauscht, dröhnt, tönt und pulsiert. Massiv, zart, konzentriert, an- und abschwellend. Die Instrumente für diese Klanglandschaft liegen am Boden, selbstgebaute Flöten und Pfeifen aus Kupferrohren, dicke Schläuche, dazu Computer, Ventilatoren, Motoren. Alles ist miteinander verbunden. „Jeder Klang kann zu Musik werden, solange man ihn in den Takt bringt oder den Begriff der Zeit einführt“, sagt Tarek Atoui. Atoui ist Geräuschemacher, Sounddesigner und Komponist in einem. Herkömmliche Formen der Musikdarbietung lehnt er aber ab. Bei ihm kommt der Sound mitunter aus dem Inneren großer Steine, manchmal aus großen Holzboxen oder er verfängt sich in den Kanten riesiger Stahlträger. „Die Hörsituation komponieren“, nennt er das. „Wie nehmen wir den Sound wahr, wie kommt der Sound zu uns? Nehmen wir den Sound über einen simplen Lautsprecher wahr, wie in Konzerten üblich oder durch einen Stein, einen Metallträger oder andere Elemente, die nicht gerade für Klang stehen, auch sie haben ihre Identität.“
Tarek Atoui wurde 1980 in Beirut geboren, heute lebt er in Paris. 2012 trat er erstmals auf der Documenta 13 in Kassel auf, seither hat er seine Raum-Kompositionen in einigen der wichtigsten Museen der Welt ausgestellt. Jetzt darf er das Kunsthaus Bregenz bespielen: Wie immer im KUB wurde ihm das ganze Haus überlassen.
„Windhouse“ heißt die Installation im ersten Stock, alle Klänge entstehen hier durch Luft. Aber es geht nicht nur ums Hören, man kann den Klang auch spüren: Betritt man eine hölzerne Kammer wird das Wummern und Dröhnen so tief, dass man den eigenen Körper als schwingende Masse empfindet, ohne dass der Ton extrem laut wäre. So müssen sich Gehörlose im Inneren eines Schiffsrumpfs fühlen. Tatsächlich ist der Raum dem Inneren einer Orgelpfeife nachempfunden. „Ich bin über die Liebe zur Kunst, zur Abstraktion und zur Mathematik zum Klang gekommen“, erzählt Atoui im Interview. „Als Teenager nahm die Idee vom Sound dann über die elektronischen Musik Gestalt an. Ich war zu alt, um klassische Musik zu lernen und ich glaube es war auch nicht so ganz mein Ding, ich sah darin ein beschränktes System aus Skalen und Proportionen, Sound kam mir viel freier vor.“ Doch das ästhetisches Klangerlebnis allein reicht Tarek Atoui nicht, er will auch gesellschaftliche, politische, geografische oder historische Aspekte integrieren. „Waters’ Witness“ heißt die große Installation im zweiten Obergeschoss, riesige schwarze Stahlträger und massive Blöcke aus weißem Marmor verteilen sich im Raum, dazu Wasser-Stationen, an denen einzelne Tropfen in gefüllte Schalen fallen, manchmal liegen Mikrofone im Wasser, manchmal führt ein Schlauch hinein und erzeugt Blubberbläschen.
Die Aufnahmen stammen allesamt aus Häfen, aus Athen und Abu Dhabi, Singapur, Istanbul oder Sydney: Städte, für deren Entwicklung und Selbstverständnis der Hafen eine entscheidende Rolle spielt – oder besser: spielte. Häfen sind heute oft unzugängliche Enklaven, als Ort und Klang vom Rest der Stadt abgetrennt. Im Sound vereint Atoui Städte und Häfen wieder, führt Vogelstimmen und Arbeitsgeräusche zusammen, legt antiken griechischen Marmor und Stahlträger nebeneinander – alles verbunden durch den Sound des Wassers. Tarek Atoui ist selbst mit Blick auf den Hafen aufgewachsen. „Beirut war damals ein, zwei Hälften geteilt, der Hafen lag im Niemandsland in der Mitte, ich konnte ihn vom Balkon aus sehen und habe wie gebannt auf den Horizont gestarrt und auf die Schiffe gewartete, die Öl für den Strom brachten oder was immer wir brauchten.“
Tarek Atouis Sound-Räume haben eine erstaunliche Wirkung. Man ist ganz bei sich und löst sich zugleich im Klang auf. Alle Künstler wünschen sich Zeit und Aufmerksamkeit, Tarek Atoui provoziert die Sensibilität – und man lässt sich gern darauf ein.