Gunta Stölzl und Johannes Itten, Textile Universen: Zum Ornament und zurück

Stoelzl Itten
Gunt Stölzl und Johannes Itten, Textile Universen, 2024, Ausstellungsansicht Kunstmuseum Thun, Foto: David Aebi
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8. November 2024
Text: Annette Hoffmann

Gunta Stölzl und Johannes Itten, Textile Universen.
Kunstmuseum Thun, Hofstettenstr. 14, Thun.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 19.00 Uhr.
Bis 1. Dezember 2024.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen. Hirmer Verlag, München 2024, 256 S., 42 Euro, ca. 51,90 Franken.
www.kunstmuseumthun.ch

Stoelzl itten
Gunt Stölzl und Johannes Itten, Textile Universen, 2024, Ausstellungsansicht Kunstmuseum Thun, Foto: David Aebi
Stölzl Itten
Gunta Stölzl, Getürmt, 1973, Foto: David Aebi
Stoelzl Itten
Johannes Itten, Bildteppich, 1934, Foto: Thomas Goldtschmidt

In einem Brief erinnert Gunta Stölzl 1962 Johannes Itten an ihre Anfänge am Bauhaus in Weimar und seine eigene unterstützende Rolle bei der Gründung einer Frauenklasse 1920, aus der bald eine Webereiklasse werden sollte. Beide wirkten da längst in der Schweiz. Auch wenn es nicht zu einer Zusammenarbeit zwischen ihnen kommen sollte, so prägten sie doch unabhängig voneinander die Schweizer Textilszene. Um die 600 Textilkünstlerinnen und -künstler hat Itten (1888-1967) über die Jahrzehnte ausgebildet. Im Kunstmuseum Thun ist auf einer Wand auf einem Schaubild verdeutlicht, welche Kreise sein Einfluss zog. Auch für die Ausstellung „Gunta Stölzl und Johannes Itten. Textile Universen“ ist der Maler und Theoretiker, der im Berner Oberland aufwuchs, so etwas wie ein Geburtshelfer. Ging ihr doch eine Einzelschau Ittens vor vier Jahren voraus. Wie bedeutend Textilien für sein Gesamtkunstwerk waren, hatte sich bereits 2020 gezeigt und auch, dass Gunta Stölzl (1897-1983) in diesem Kontext nicht fehlen dürfte – selbst wenn es herausfordernd sein würde. Ihre Arbeiten werden ausgesprochen selten verliehen, da sie sehr empfindlich sind.

Mitte der 1920er Jahre kehrt Gunta Stölzl an das Bauhaus zurück, das inzwischen nach Dessau umgezogen ist. Jetzt als Werkmeisterin. Wie präsent sie damals gewesen sein muss, zeigt etwa ein Schwarzweißfoto eines Studentenzimmers im Prellerhaus. Der Bettüberwurf, eine leichte gestreifte Wolldecke in Braun, Schwarz und Beige ist ihr Design. Sie hängt neben der Fotografie als Replikat an der Wand. Und sie findet sich heute wieder in den rekonstruierten Zimmern des Prellerhauses. Ab 1927 leitet Stölzl die Webereiwerkstatt bis ihr zwei Jahre später das Klima in Dessau zu rechtsextrem wird. Die gebürtige Münchnerin emigriert 1931 in die Schweiz. Im gleichen Jahr gründet sie mit Gertrud Preiswerk und Heinrich-Otto Hürlimann eine Firma für Handweberei, die sich auf Textilien für Möbelstoffe und für die Industrie spezialisiert hat. Tatsächlich sind diese funktionalen Textilien schon früh Teil ihres Portfolios. Stölzl entwirft robuste Stoffe und für bestimmte Anforderungen, etwa 1933 einen lichtreflektierenden Zellophan-Vorhang für ein Fotostudio. Diese gingen zahlreiche Experimente mit verschiedenen Materialien und Webtechniken voraus, später wie etwa beim Wandteppich „Steigen und Fallen“ aus dem Jahr 1973 hat sie Steine in die Kante von Webteppichen eingearbeitet, was diese zugleich stabilisierte.

Die textilen Universen von Gunta Stölzl und Johannes Itten in Thun bestehen aus zahllosen Originalen, deren farbliche Brillanz, aber auch ihre Originalität bis heute nicht verblasst ist. Da gibt es Muster aus Tennisschlägern und Bällen oder einer Gruppe von Spaziergängern. Oft sind es Gegenüberstellung von Entwurfsskizze und dem späteren Teppich oder Wandbehang. Manchmal sind es Seiten aus Musterkatalogen, Handtücher oder Schneiderbüsten mit Rockhosen, Kleidern oder Blusen, die zeigen, wie Schnitt und Stoffdesign zusammenwirken. Die Grenzen zur Malerei und der Zeichnung sind offen, etwa wenn Ittens geknüpfte Wandteppiche an Josef Albers‘ „Homage to the square“ erinnern oder Stölzl in einer von Ittens Stunde eine Dornenranke zeichnet. Das Ornamentale textiler Muster weist einerseits in die Abstraktion, andererseits sind die späten Gobelins von Stölzl geradezu malerisch.

Während Ittens Tätigkeit als Leiter der Preußischen Fachschule für Textile Flächenkunst in Krefeld von 1932 bis 1938 scheint sein Bedürfnis an einer Systematisierung der Ausbildung zu wachsen, Lehrmaterial etwa zum Zusammenspiel von Farben und Mustern entsteht. Itten ist es auch, der seine Entwürfe, die oft etwas von seiner spirituellen Seite ahnen lassen, auf Millimeterpapier überträgt. Manche Musterblätter haben bereits etwas von einem Moodboard. In Krefeld animiert Itten seine Studierende auch Reproduktionsmedien wie die Fotografie zum Entwerfen von Mustern einzusetzen, so wird aus dem Detail einer Aufnahme von einer Kuh oder von einem Fingerabdruck ein abstrakter Rapport. Die Textilindustrie war von Beginn an, Schrittmacher der Technologie.