Form Matters, Matter Forms. Vom Readymade zum Warenfetisch.
Kunst Museum Winterthur | Beim Stadthaus, Museumstr. 52, Winterthur.
Dienstag 10.00 bis 20.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 17. November 2024.
www.kmw.ch
Es hatte Warnungen gegeben. „Don’t do it (Readymades of the 20th century)“ nannte John Armleder seine Installation, die beim Betreten der Ausstellung „Form Matters, Matter Forms. Vom Readymade zum Warenfetisch“ im Kunstmuseum Winterthur gleich den Blick auf sich zieht. Es ist eine Ansammlung von Materialien, die man aus bekannten Werken der jüngeren Kunstgeschichte kennt – zugleich sieht es aus als hätte hier jemand Sperrmüll abgestellt. Marcel Duchamps Flaschentrockner ist darunter, Campbell-Soup-Dosen, links in der Ecke lehnt ein Instrumentenkasten, auf dem Boden sind Schalen von Miesmuscheln ausgebreitet. Zwischen 1997 und 2021 hatte Armleder all dies erstanden, er konnte das, weil alle diese Dinge nicht vordergründig Kunstobjekte waren, sondern zu ihnen gemacht wurden. Doch natürlich kam jede Warnung zu spät, der Flaschentrockner und die Suppendosen waren ja längst nicht mehr nur Gegenstände des Konsums. Im Kunstmuseum Winterthur sind nicht nur Arbeiten von Andy Warhol zu sehen, im ersten Raum hängt zudem ein Flaschentrockner von der Decke. Es ist eine Arbeit von Sturtevant, die sich Duchamps Ikone angeeignet hatte. Denn warum sollte auch eine Autorschaft respektiert werden, die selbst nicht sehr originär war? Und so mäandert diese Ausstellung zwischen Affirmation und Kritik, einer Kritik, die den Kapitalismus zum Ziel hat, aber mehr noch die Gesellschaft, die sich zuvorderst auf die Ökonomie stützt.
Die Themenschau, die der Abhängigkeit zwischen Form und Material nachgeht, beginnt also mit einem Witz. Da viele der Arbeiten aus Schweizer Sammlungen kommen, schließt sich das Museum aus diesen Warenkreislauf nicht aus. Alles hat hier seinen Preis. Spätestens seit den Sechzigern umgeben uns Produkte wie frühere Generationen die Natur. Wir sind Experten und kennen die Unterschiede zwischen Pepsi und Cola und vielleicht auch die Wirkungen jener Medikamente, deren Verpackungen Damian Hirst in einem Medizinschrank einsortiert hat. Auf einem Druck von Barbara Kruger heißt es: „Money can’t buy me“. Schön wär’s.
Wenn Gegenstände des Konsums den Kontext wechseln, verändern sie nicht allein diesen, sie verändern auch sich selbst. Wir schauen genauer auf das Design der Verpackung, überhaupt auf ihre Gestaltung. Sylvie Fleury etwa hat anscheinend einen vergoldeten LKW-Reifen in einen Brunnen umgewandelt, aus dessen Mitte ein Wasserstrahl hochsteigt und wieder fällt. „(Gold) Fountain LKW“ sieht nach einer neureichen Version des Upcyclings aus, tatsächlich jedoch ist der Reifen aus Porzellan. War es schon etwas absurd, ein so funktionales Material wie Gummi durch Gold aufzuwerten, so ist es noch ein bisschen absurder, die charakteristische Form eines LKW-Reifens aus einem zerbrechlichen Material zu gießen. Es erlaubte Fleury jedoch aus der Arbeit eine Edition zu machen.
Nicht immer ist eindeutig, wie Prozesse der Auf- und Abwertung verlaufen. In Winterthur ist so auch eine der antiken Gefäße zu sehen, die Ai Weiwei mit dem Coca-Cola-Logo versehen hat. „Coca Cola“ aus dem Jahr 2009 steht auf einem Sockel und unter einem Glassturz. Es wäre die angemessene Präsentation, das Gefäß stammt aus der Han-Dynastie und ist gut 2000 Jahre alt. Indem Ai Weiwei das Logo auf das Tonobjekt anbringt, labelt er es neu. Es ist nun ein Objekt einer ost-westlichen Synthese, zugleich aber stellt es die Frage, ob China seine eigene Kultur nicht aufgibt und gegen einen gesichtslosen Kapitalismus westlicher Prägung ersetzt.
Mitunter ist es nicht allein der andere Kontext, der eine Bedeutungsverschiebung bewirkt, es ist auch seine Vervielfältigung. „Ich verändere Material, indem ich es wiederhole“, kann man auf dem Screen einer von Peter Roehrs Montagen lesen. Sie zeigen nächtliche Tunnelfahrten, aber auch Werbung für Haarpflege. Je repetitiver die Struktur, desto mehr verfremdet wird das Bild. Oder es steigert schlicht den Überdruss, so hängt der Geruch von Felix Gonzalez-Torres‘ Bazooka-Kaugummis recht penetrant im Raum.