Sophie Innmann

Sophie Innmann
Sophie Innmann, Rotliegend, 2024, Ausstellungsansicht „Betze, K-Town, Pfaff“, mpk Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern 2024, Courtesy the artist
Porträt
28. Oktober 2024
Text: Dietrich Roeschann

Betze, K-Town, Pfaff, mit Sophie Innmann u.a.
Museum Pfalzgalerie, Kaiserslautern.
Dienstag bis Mittwoch, Freitag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 19. Januar 2025.
www.mpk.de

Sophie Innmann und Daniel Vollmond: ANTHROPOZÄNTA.
Lorenzstr. 12, Hof.
22. Oktober bis 17. November 2024.
anthropozaenta.org

Re:Vision mit Sophie Innmann u.a.
Kunstverein Tiergarten / Galerie Nord, Turmstr. 75, Berlin.
Bis 26. Oktober 2024.
kunstverein-tiergarten.de

sophieinnmann.com

Sophie Innmann
Sophie Innmann, Who can afford to be an art worker? About invisible labour in former GDR and today‘s FRG, 2019/2024, Ausstellungsansichten „every now and again“, Galerie Nord / Kunstverein Tiergarten Berlin 2024, Courtesy the artist
Sophie innmann
Sophie Innmann, from politics to physics, 2024, Courtesy the artist

Natürlich kann man Bilder nicht hören. Außer man hält sie ganz nah ans Ohr, dann rascheln sie vielleicht ein bisschen. Aber was können sie in diesem Flüsterton schon erzählen über das, um was es Sophie Innmann (*1986) in ihrer Rauminstallation „Rotliegend“ geht, die sie kürzlich im Museum Pfalzgalerie in Kaiserslautern realisiert hat? Über tribünenartigen Rängen, die dort im abgedunkelten Ausstellungssaal aufgebaut sind, schweben zwei Leinwände, so groß wie Stadiontafeln. Sie zeigen eine stille Kamerafahrt über rot leuchtenden Waldboden, dazu brodelt der Lärm einer aufgeheizten Menge aus den Boxen, ein Tosen und Wogen, dumpf und schrill, von Adrenalin und Trommeln getrieben, der Sound kollektiver Extase, der einen beim Eintreten wie ein Mantel umhüllt. „Betze, K-Town, Pfaff“ heißt die Gruppenschau, in der Innmanns Arbeit zu sehen ist, Thema sind die einst großen Identitätsanker der Stadt: der Fußball, die U.S. Army und die traditionsreiche Nähmaschinenfabrik, nach der Insolvenz von 2009 heute in Besitz der chinesischen SGSB Group.

„Rotliegend“ ist ein schönes Beispiel für das künstlerische Interesse Sophie Innmanns, die an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe studiert hat und ihren Abschluss 2014 bei Leni Hoffmann machte. Innmann arbeitet ortspezifisch, und das oft mit einer Leidenschaft und Radikalität, die an Method Acting erinnert. Zur Kunst fand sie über Punk und die Skaterszene und entwickelte daraus eine wunderbar eigenwillige Perspektive auf den Zusammenhang von Malerei, Bewegung, Raum und Erfahrung. Mit oft einfachsten Mitteln inszeniert sie intensive Momentaufnahmen kollektiven Handelns. Immer geht es dabei um das ganz reale Eintauchen in die Gegenwart und die soziale, kulturelle, politische oder alltägliche Geschichte eines spezifischen Ortes, der durchaus auch eine Klasse sein kann, eine Gewohnheit, ein Gefühl oder eine Gegend.

Eine Gegend wie Nordostoberfranken etwa, wo Innmann aufwuchs, 100 Kilometer von der nächsten Großstadt entfernt – wenn man Bamberg eine Großstadt nennen möchte. 2013 organisierte sie dort zusammen mit Martin Sell die erste ANTHROPOZÄNTA, ein Residenz- und Ausstellungsformat zwischen privatem und öffentlichem Raum, das sich noch vor dem vom „Anthropozän-Projekt“ im Haus der Kulturen der Welt ausgelösten Hype in der Kunstszene mit den Erscheinungen und Auswirkungen nicht-menschlichen und menschlichen Daseins in der Welt beschäftigte. Ende Oktober 2024 eröffnet im fränkischen Hof nun die dritte Ausgabe der ANTHROPOZÄNTA, diesmal mit Beiträgen von Kriz Olbricht, Petter Yxell, Tita Salina & Irwan Ahmett.

Wie sehr Nationalstaatengrenzen, die Eigentum und Kapitalinteressen schützen, unser Verhältnis zur Erde prägen, thematisiert Innmann derzeit auch im Berliner Kunstverein Tiergarten. Für die Performance-Installation „from politics to physics“ schrubbte sie auf einer zuvor tapezierten Weltkarte alle Spuren des Politischen von der Wand. Die jämmerlichen Fetzen, die übrig blieben, kommentierte sie mit einem Witz: „Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine: Na, wie geht’s? Sagt der andere: Gar nicht gut. Ich leide furchtbar unter Homo sapiens. Antwortet der erste: Ah, das kenne ich, das wird bald vorüber gehen.“ Zwei Tonnen Sand, die Innmann daneben in zehnstündiger Knochenarbeit für einen Stundenlohn von 80 Euro auf einen Haufen geschaufelt hat, erinnern an sinnentleerte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, mit denen in der ehemaligen DDR Vollzeitbeschäftigung erreicht wurde. Zugleich lassen sie sich als böser Kommentar zu den prekären Arbeitsbedigungen Kunstschaffender unter dem verharmlosenden Label kreativer Selbstbestimmung im Neoliberalismus entziffern.