Archives in Residence, Glamour und Geschichte. 40 Jahre P1: Nostalgiefutter

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Archives in Residence: Glamour und Geschichte. 40 Jahre P1, Ausstelllungsansicht, Foto: Judith Buss
Review > München > Haus der Kunst
17. Oktober 2024
Text: Jürgen Moises

Archives in Residence. Glamour und Geschichte. 40 Jahre P1.
Haus der Kunst. Prinzregentenstr. 1, München.
Montag, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 20.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 22.00 Uhr.
Bis 23. Februar 2025.
www.hausderkunst.de

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Postkarte des P1, 1960er Jahre, Privatbesitz
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Alecos auf einer Faschingsparty im P1, um 1970, © Interfoto, Franz Hug
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Archives in Residence: Glamour und Geschichte. 40 Jahre P1, Ausstelllungsansicht, © Vincent Kolibius

Auf einem der drei ausliegenden Magazine steht in der Mitte groß „P1“ und darunter das Wort „Retro“. Damit ist über die Ausstellung schon viel gesagt, die einen in der Archiv Galerie im Haus der Kunst unter dem Titel „Glamour und Geschichte“ in die 40-jährige Geschichte der Münchner Diskothek P1 mitnimmt. Das heißt: In die des P1 in seiner heutigen Form als Promi- oder Edel-Disko und an seinem heutigen Ort schräg unter dem Westflügel im Haus der Kunst. Davor gehörte das P1 ebenfalls zum Haus, befand sich aber von 1950 bis 1993 in dessen Ostflügel. Eröffnet wurde es dort als Atelier-Restaurant und wurde dann zu einem wichtigen Lokal der Münchner Kunstszene. Aber macht das „Glamour und Geschichte“ auch als Kunst-Ausstellung interessant? Nun, als solche muss man diese nicht wirklich verstehen. Denn tatsächlich wird in der Archiv Galerie in erster Linie die Geschichte des Gebäudes seit dem Eröffnungsjahr 1937 erzählt. Dass zu dieser Geschichte auch die einer weltbekannten Diskothek gehört, da sich beide dasselbe Dach teilen, ist laut Kuratorin Sabine Brantl nicht nur ungewöhnlich, sondern vielleicht sogar einzigartig. Eine weitere Besonderheit laut Brantl: Das P1 erfinde sich so wie das Haus der Kunst „immer wieder neu“. Darüber hinaus versteht sie dessen Räume als „Ausdruck des künstlerischen Experimentierens“ und allgemein die Clubkultur als einen „Ort der Kulturproduktion“, an dem teilweise die Grenzen zwischen Architektur, Kunst, Film, Musik oder Mode verwischen.

Damit wären wir auf der Metaebene der Ausstellung, die ansonsten auf Minimalismus und viel auf Nostalgie setzt. Stichwort „Retro“. Ist das nicht das Schreckgespenst, das der Musikjournalist Simon Reynolds in seinem Buch „Retromania“ beschwor? Mit der zentralen These, dass die heutige Popkultur von ihrer Vergangenheit besessen ist? Weil es vor Reunion-Konzerten, Wiederveröffentlichungen oder Nostalgie-Shows nur so wimmelt? Dieses Gespenst treibt sich auch in „Glamour und Geschichte“ herum. In Form von alten Fotos, Filmen oder Zeitungsartikeln, die auf zwei Bildschirmen, als Videoprojektion an der Decke sowie in den „Retro“-Magazinen präsentiert werden. Im Zentrum steht dabei die „glamouröse“ Zeit des P1 in den 1980er Jahren, als nicht zuletzt wegen Giorgio Moroder und seiner Musicland Studios Stars wie Mick Jagger, Prince, Led Zeppelin oder Tina Turner nach München und dort dann ins P1 zum Feiern kamen. Dokumentiert wird das etwa durch ein Foto, das die 21 Jahre alte Whitney Hous­ton im P1 und damit bei ihrem ersten Auftritt in Europa zeigt. Dann gibt es einen Filmschnipsel mit der Band Queen aus dem Jahr 1984. Oder ein Foto von 1986 mit Mick Jagger auf der Tanzfläche. In kurzen TV-Einspielern sieht man etwa einen Türsteher, der von einem „halbseidenen Publikum“ spricht. Die „harte Tür“, die der Legende nach etwa dazu führte, dass die Scorpions nicht hineingelassen wurden, ist ebenfalls Thema. Genauso wie die berühmten Motto-Partys, etwa die „Metzgerparty“, bei der echtes Fleisch Teil der Dekoration war. Oder das „Römerfest“, bei dem ein Student als Jesus am Kreuz hing.

Geleitet wurde das P1 lange vom Münchner Feinkost-Händler Michael Käfer. Dessen erklärtes Vorbild war das berühmte Studio 54. Und in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärte er vor Monaten das „Geheimnis“ des P1: „Es kam in der Anfangszeit eben alles zusammen: die extreme Ballung toller Leute in der Stadt und wir mit unserem sehr professionell geführten und doch auch lockeren Club.“ Um die Club-Atmosphäre zu simulieren, hat man der Ausstellung eine Tanzfläche verpasst. Außerdem hat man sich bei der Gestaltung vom früheren Standort im Ostflügel inspirieren lassen sowie vom minimalistischen Design des Mailänders Matteo Thun, der das P1 in den 2000er Jahren umgestaltet hat. Das hebt „Glamour und Geschichte“ über eine bloße Dokumentation hinaus. Schön auch, dass die Schau an die Frühzeit des P1 als Künstlerlokal erinnert. Und sonst? Gibt es wie gesagt vor allem Nostalgiefutter, gemischt aus Fakten, Anekdoten, Emotionen. Und dafür sollte man schon einen gewissen Spleen mitbringen, für die Pop- und Glamour-Welt der Achtziger.