Ton Matton: Potemkin Art Academy Schwerin
Kunstverein Schwerin, Spieltordamm 5, Schwerin.
Dienstag bis Sonntag 15.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 27. Oktober 2024.
[— artline Nord] Im ersten Raum, der hohen Halle des ehemaligen E-Werks von Schwerin, hat man zu Beginn eine Art Déja Vu. Gab Ähnliches nicht schon einmal irgendwo zu sehen? Ineinander verschobene Schiefertafeln mit Kreideschrift hängen an der Wand, mit Diagrammen und Handschriftlichem versehen. Natürlich gemahnt diese Installation, um weiteres ergänzt wie Schlitten, überdeutlich an Joseph Beuys. „Zweifel“, so lautet praktisch der Titel – und wir können uns zu Recht in so etwas wie einem Seminar wähnen.
Der Niederländer Ton Matton (*1964) ist Stadtplaner und Künstler und auf dieser Schnittstelle bewegt sich sein Aktionsradius. Er lebt seit einiger Zeit auch in Mecklenburg-Vorpommern und hat in kleineren Gemeinden performative und partizipatorische Projekte wie „Die große potemkinsche Straße“ in Wittenburg oder „Zukunft machen“ in Tribsee veranstaltet. Er hat seine, oft auch performativen, Reden und aphoristischen Kurztexte in seinen „Zweifel“-Büchern (Jovis-Verlag) veröffentlicht. „Wir brauchen moralische Standards, wir müssen die richtigen Fragen stellen, um unsere sdozialen Utopien zu bauen“. So verfolgt er einen unbedingten nachhaltigen Ansatz – der aber nicht unser westliches Wohlbefinden über alles stellt, sondern den Finger ebenso auf die Ausbeutung und Verelendung der Arbeiter:innen dieser nachhaltigen Städte richtet. All das geschieht bei Ton Matton allerdings in einer oft spielerischen, unangestrengten Weise, wie er es auch für Schwerin vorsieht. Hier agiert der Künstler im Übrigen ganz im Sinne der neuen künstlerischen Leitung des Hauses Henrike Nagel, die den Kunstverein mehr als Ort des Miteinanders und des Austausches verorten will.
Der Ausstellungsort wird also hier zur tatsächlichen Akademie und es gibt eine Reihe von Seminaren, Workshops und Konzerten inklusive Semesterparty selbst zu erfahren. Matton hat den Kunstverein Schwerin in für die dazu wichtigen Funktionen aufgeteilt. Die Referenz an Joseph Beuys im schon betretenen Hörsaal ist zwar ironisch aufbereitet, aber hat seinen ernsten Kern. Die weiteren Räume sind die Werkstatt, Bibliothek und die Studiengalerie mit Projektionsraum. Sie sind oft auch ironisch eingefärbt, meistens grün, wie etwa die großen Topfpflanzen am Infusionstropf. Oder das in Film und Buch vorgestellte meistgebaute Einfamilienhaus der DDR, das Modell EW58, das Matton auch mal von chinesischen Gastarbeiter:innen abtragen und in den Niederlanden von eingewanderten ostdeutschen Arbeiter:innen wieder aufbauen ließ. Schon hier läßt sich ersehen, auf welche Weise Ton Matton Kunst und Spiel mit der Verantwortung für soziales Handeln verbindet.